Klassiker

Lady in Red

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Dieser Alfa Romeo P3, der für die Scuderia Ferrari vor dem Krieg in ganz Europa fuhr und danach fünf Mal für die 500 Meilen von Indianapolis genannt war, genießt nach fast 90 Jahren noch einen aktiven Ruhestand.

Jennie Taylor ist die besitzerin dieses sagenumwobenen Alfa Romeo Tipo B »P3« aus dem Jahr 1934. Er gehörte seit 2005 ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann, dem langjährigen Alfa-Romeo-Sammler Hugh Taylor. Nun setzt die Britin alles daran, dessen Leidenschaft für den Monoposto mit der Chassisnummer 50007 fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass der P3 auch weiterhin im Blickpunkt der Öffentlichkeit bleibt.

»Das Auto wird überall geliebt«, erzählt sie. »2019 nahm ich es zur Cavallino Classic in Florida mit, und die Leute bedankten sich teils überschwänglich dafür, dass ich den Alfa ‚zurück nach Hause‘ in die USA gebracht hatte. Denn schließlich wurde er ja auch durch seine Starts beim Indy 500 bekannt. Im März 2020 fuhren wir zum Amelia Island Concours und hatten dort ebenfalls einen wunderbaren Auftritt.« Jennie ist zu Recht stolz, denn ihr P3 kam sowohl in Europa wie in den USA vor und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Einsatz.

Jennie Taylor fährt mit Begeisterung das Rennauto ihres verstorbenen Mannes

Die Ursprünge des Alfa Romeo Tipo B, später als »P3« bekannt, gehen auf den Herbst 1923 zurück, als Alfa Romeo den legendären Ingenieur Vittorio Jano (1891–1965) von Fiat abgeworben hatte. Janos Genie und die Auswirkungen seines Verlusts für Fiat wurden schnell offensichtlich: Während Fiat sich aus dem Motorsport zurückzog, entwickelte Jano in nur zwölf Monaten den Alfa Romeo »P2«. Als erster speziell für den Grand-Prix-Sport entwickelter Rennwagen begründete er maßgeblich den Status von Alfa Romeo als einer der im Motorsport erfolgreichsten Hersteller weltweit.

Der P2 wurde von einem via Roots-Kompressor aufgeladenen Achtzylinder-Reihenmotor angetrieben, der aus 1987 ccm Hubraum anfangs 140 und mit Zweivergaseranlage 155 PS mobilisierte. Mit dem P2 gewann Alfa Romeo 1925 die erste Automobil-Weltmeisterschaft; von 1924 bis 1930 siegten P2 in 14 Grands Prix und bei der Targa Florio. Nach diesen Erfolgen schmückte die Mailänder Marke ihr Logo fortan mit einem umlaufenden Lorbeerkranz.

Achtzylinder-Reihenmotor mit 2,9 Litern Hubraum, zwei Weber-Vergasern und zwei Roots-Kompressoren.

Anfang der 1930er-Jahre begann Jano auf Basis des aufgeladenen Alfa-Romeo-Reihensechszylinders mit 1750 ccm Hubraum die Entwicklung von zwei neuen Modellen. Das eine übernahm das Bohrung-Hub-Verhältnis von von 65 x 88 mm vom 6C, allerdings in einem aus zwei Vierzylinderblöcken konstruierten Reihenachtzylinder. Der Zahnradantrieb der obenliegenden Nockenwellen (je eine pro Block) und des auf der rechten Motorseite angebrachten Kompressors lag zwischen den Zylinderblöcken. Dieses extrem erfolgreiche Modell ging als 8C 2300 in die Geschichte ein und erhielt wegen des Sieges beim GP von Italien 1931 die Zusatzbezeichnung »Monza«. Es gab ihn neben der Grand-Prix-Version auch in Varianten für Le Mans mit längerem Radstand sowie für Straßenrennen wie Mille Miglia und Targa Florio.

Das zweite Modell war der Tipo B Monoposto – nach dem erfolglosen, weil zu komplexen Tipo A von 1931 der erste konsequent als Einsitzer konzipierte Grand-Prix-Renner der Mailänder. Sein erneut aus zwei Viererblöcken zusammengesetzter Achtzylinder mit festen Köpfen aus einer Aluminium-Legierung kam bei gleicher Bohrung, aber um 100 Millimeter vergrößertem Hub auf 2654 ccm. Die für jeden Block separate obenliegende Nockenwelle wurde von zwischen den beiden Bänken liegenden Steuerrädern betätigt; auch das Getriebe wurde dort untergebracht. Die Zylinderköpfe und die zwei Ventile pro Zylinder waren um 104 Grad geneigt, während die beiden auf der linken Seite des Fahrzeugs montierten Roots-Kompressoren jeweils einen der beiden Blöcke mit Zusatzpower versorgten. Der »Doppel-Vierer« wurde von zwei Vergasern versorgt und erhielt als wichtige Verbesserung eine Trockensumpfschmierung.

Mittige Sitzposition und ein riesiges Holzlenkrad für die schweißtreibende Kurbelei – wir lieben es!

Das Dreiganggetriebe mündete direkt in ein Differenzial, an dessen Ausgang zwei in V-Form angeordnete Halbachsen ihr Drehmoment über kegelförmige Zahnräder auf die Hinterachse über- trugen. Diese von Jano ersonnene Lösung platzierte den Fahrer in der Mitte des »V«, was eine willkommene Absenkung der Schwerpunktes bewirkte. Das Gesamtgewicht des Wagens betrug ungewöhnlich leichte 700 Kilogramm, was dank der 215 PS bei 5600 U/min ein hervorragendes Leistungsgewicht und eine Höchstgeschwindig- keit von etwa 230 km/h ermöglichte.

Der P3 gewann in seiner ersten Saison vier von sechs Rennen, darunter das erste 1932 mit Tazio Nuvolari beim GP von Italien in Monza. 1933 trat er nur bei zwei Rennen an, bis eine Finanzkrise Alfa zwang, die Rennaktivitäten einzustellen und die sechs gebauten P3 bis auf Weiteres einzulagern, sehr zum Kummer des inoffiziellen Alfa-Werksteams, der Scuderia Ferrari, die so wieder auf den 8C Monza zurückgreifen musste. Erst zum Ende der Saison gab Alfa die P3 wieder frei – prompt folgten weitere Siege. Und die Entwicklung ging weiter. Um das neue Grand-Prix-Reglement mit unbegrenztem Hubraum und einem Höchstgewicht von 750 Kilogramm ausnutzen zu können, stieg der Hubraum für die Saison 1934 dank einer auf 68 Millimeter erweiterten Bohrung auf 2905 ccm, die Leistung kletterte auf 225 PS bei 5400 U/min. Der Radstand wurde auf 2670 Millimeter gestreckt, auch die Spurweiten und Felgengrößen wuchsen.

Die Geschichte des Tipo B P3 ist eng mit der Scuderia Ferrari verknüpft. Enzo Ferrari hatte nach Aufgabe der eigenen Rennfahrerkarriere 1929 in Modena seinen Rennstall gegründet und avancierte bald zum Vertreter Alfa Romeos auf den Rennstrecken der Welt. Anfang 1932 wurde Felice Trossi, Spitzname »Didi«, nach Mario Tadini und Alfredo Caniato Präsident des Rennstalls. Er war nicht nur ein hervorragender Rennfahrer, sondern zugleich ein Visionär, der dem Rennstall Sponsorgelder verschaffte und Ferraris Beziehungen zu Alfa Romeo auf eine feste Grundlage stellte. Unter den für 1934 vorbereiteten und weiter entwickelten Tipo B war auch Chassis 50007, das Auto auf diesen Seiten.

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Text Massimo Delbò || Fotos Tim Scott // Bearbeitung Thomas Imhof

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