50 Jahre nach dem Tod in Monza ist das ultimative Jochen Rindt-Buch erschienen. Mit unzähligen bislang unbekannten Fotos, speziell aus der Sturm-und-Drang-Zeit. Mit Erinnerungen seines ihm bis zum Schluss nahestehenden Halbbruders in einem ungeschminkten Text von Erich Glawitza.
Fast jeder, der sich auch nur peripher für Motorsport interessierte, weiß bis heute, wo er am 5. September 1970 gerade war, als die Nachricht vom Tod Jochen Rindts durchs Radio kam. Der 28-Jährige mit deutschem Pass und österreichischer Rennlizenz stürzte zwei Länder über Nacht in kollektive Trauer. Ein James-Dean-Effekt. Wie bei seinem Teamkollegen John Miles im Rennen zuvor war erneut eine Bremswelle gebrochen, beim Anbremsen der Parabolica, im Training. “Nicht weil sie hohl gebohrt war, sondern weil Lotus in der “Werkstattzeichnung” vergessen hatte, dass die inneren Kanten und Ecken wegen möglicher Kerbwirkung ausdrücklich zu “runden” gewesen wären”, weiß Autor Glavitza. Rindt, geboren in Mainz, verlor seine Eltern beim großen Bombenangriff 1943 auf Hamburg und wuchs als Vollwaise bei den Großeltern in Graz auf. Aus einem artig braven Jungen mit traurigem Blick wurde auf diversen Gymnasien ein schlaksiger Rebell mit lümmelhaftem Benehmen.
Von Oben: Rindt, Autor Erich Glavitza, erste Jochen-Rindt- Show 1965; erste Rennerfolge auf Alfa Giulietta Ti, hier beim Bergrennen Trieste-Opicina von 1962; auf einem gebrauchten Cooper gewinnt Rindt 1963 bei seinem erst zweiten Start in einem Monoposto das Formel Junior Rennen in Cesenatico – und kollidert dabei fast mit einem Sanitätswagen; zur Brabham-Zeit fuhr er – hier in rebellischer Pose – diesen 911 S Baujahr 1967.
Doch in den wenigen Jahren seiner Profi-Karriere wandelte sich der Lausbub zum fertigen Rennfahrer mit hochentwickeltem Geschäftssinn. “Starting money” soll, so böse Zungen, sein erstes Wort in Englisch gewesen sein. Seine Jochen Rindt-Show wurde ein Riesenerfolg. Nach erfolglosen Lehrjahren mit Cooper und Brabham ging er 1969 mit Lotus einen Pakt mit dem Teufel ein. Als bis heute Einziger wurde er posthum Formel 1-Champion. Ohne Rücksicht auf Verluste – dieses Motto stand für Rindt über allem. Glavitza: “Wenn es um das Erreichen eines Ziels ging, war Jochen völlig humorbefreit. Und er fand nicht einmal Zeit, sich über Siege zu freuen. Er war der Sekunde, in der er gerade lebte, um Tage voraus. Und er hielt alle und jeden auf Distanz.”
Der Cooper-Maserati sah nicht nur schwer aus …; selbst Hofschreiber wie Heinz Prüller ließ Rindt nur in Form von Zweckfreundschaften an sich ran; im ersten Brabham-Jahr, Monaco 1968; erster Rennfahrer mit eigener Racing Car Show: Sie lief ab 1965 in Wien und wurde nach seinem Tod durch Nina Rindt bis 1977 (dann in Essen) fortgeführt; das finnische Fotomodell heiratete er 1967, am letzten rennfreien Wochenende.
Jochen Rindt – Ikone mit verborgenen Tiefen
Das Buch schildert die wohlbehütete Kindheit bei den Großeltern, die wilden Jahre der “Grazer Clique”, die schnelle stürmische Laufbahn und das tragische Ende in Monza. Was es von früheren Rindt-Büchern abhebt, sind unter anderem die Analysen zum Unfall mit dem filigranen Lotus 72 und die Erinnerungen des in der Öffentlichkeit kaum bekannten Halbbruders Uwe Eisleben, zu dem Rindt ein besonderes Vertrauensverhältnis pflegte. McKlein Publishing, deutsch/englisch, Format 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber, 400 Seiten, über 400 Fotos, 99,90 Euro.
Text: Thomas Imhof // Fotos: McKlein, Motorsport Images, Actualfoto, Glavitza, Uwe Eisleben, Kumpa, Archiv Erich Walitsch
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