Was bewegt einen der führenden Experten für Automobile dazu, einen Teil seiner Passion Booten zukommen zu lassen? Die Antwort heißt: Riva.
Riva. Der Markenname ist Synonym für eine ganze Branche. Luxus-Motorboote als höchster Ausdruck nostalgischer Schwelgerei. Wie Ray-Ban oder Ferrari eine Marke, die gleichermaßen von cognoscenti wie der Allgemeinheit bewundert wird. Wobei eine Riva weitaus exklusiver ist als die oben genannten Kultmarken. Oder Rolex und Omega oder irgendeine andere dieser »Halo Brands«, die regelmäßig kopiert, aber niemals übertroffen werden. Ferrari hat in fünf Jahren so viele 246 Dino gebaut wie Riva in seiner gesamten Nachkriegsgeschichte Boote. Selbst Jeremy Clarkson beschrieb die Aquarama als die »schönste Kreation der Menschheit«. Und lag damit nicht weit daneben.
Wenn man Riva googelt, um zu prüfen, inwieweit er Recht hat, füge man aus Spaß noch »Brigitte Bardot« ins Suchfenster ein. Und was dann erscheint, fasst den ganzen Mythos perfekt zusammen: Unglaubliche natürliche Schönheit neben menschengemachter Schönheit, fugenlose, tiefrote Mahagonibeplankung, eine gepolsterte Liegefläche, viel Chrom, ein hölzernes Armaturenbrett mit etlichen Runduhren, ein Lenkrad wie in Autos und eine Panoramascheibe, alles vor dem Hintergrund eines italienischen Sees oder der französischen Riviera. Bilder, die nicht treffender unsere Sehnsucht nach den unbeschwerten und kreativen Zeiten hervorrufen, in denen Formen für die Ewigkeit entstanden. La Dolce Vita.
Für viele ist die ultimative Riva die 1968 nur ein einziges Mal für Ferruccio Lamborghini aufgebaute Super Aquarama mit zwei Lamborghini- V12-Motoren – wenn man sich wohlfühlt in einem hölzernen Boot voller Benzin, das zwölf Weber-Vergaser überall hin verteilen. Für die meisten von uns würde auch jede andere Aquarama reichen. Von denen gab es 288 »Basistypen« (1968–72), etwas über 200 Super Aquarama (1963–71) und 278 Aquarama Specials (1972– 1996).
Die Riva-Legende und die der Aquarama im Speziellen basiert nicht allein auf der Optik und der Romantik. Diese Boote sind auch berühmt für ihr Handling. Genauso, wie der Wechsel von Radial- zu Stahlgürtelreifen Autos einen Mordsschub verlieh, konnten Boote mit einem V-förmigen Rumpf jetzt weitaus schneller das Wasser durchschneiden. Es gibt die Anekdote, nach der Carlo Riva einmal Fiat Mogul Gianni Agnelli eine Aquarama zum Testen gab. Falls er es schaffen würde, das Boot auf die Seite zu legen, könne er es behalten, versprach Riva. Agnelli versuchte es so lange, bis der Tank leer war.
Die klassischen Boote unterscheiden sich in erster Linie durch die Motorisierung: ein Motor oder zwei, sechs Zylinder (bei den frühen Booten) oder V8. Dazu kommen verschiedene Rumpf- Designs, die Zahl der zugelassenen Passagiere, ein Sonnendeck oder ein Heck komplett aus Mahagoni – und die Performance. Man weiß nicht genau, wie sich die noch rund 3000 existierenden Riva Überlebenden typenmäßig aufteilen. Überlebende? Nun, so wie Autos rosten und verunfallen, so verkommen auch Boote und sinken im schlimmsten Fall. Schlechte Wartung und langes Liegen im Wasser können sie zerstören, speziell beim Dümpeln in den Gewässern rund um St. Tropez, wo das Salzwasser zuerst den Lack und den Chrom ruiniert; am Ende verrotten dann die Motoren von innen heraus. Holzboote können auch Wasser ziehen – sie sind sogar darauf ausgelegt, um das Holz feucht zu halten und sich in ihren Spanten ausdehnen zu können. Holzboote arbeiten halt.
Es ist aber lebenswichtig, kein abgestandenes Wasser am Boden zurückzulassen. Am schlimmsten ist es, wenn man den Rumpf nicht früh genug austauscht, denn dann kann sich Fäulnis ausbreiten und das Boot zum Sinken bringen. Die Kardinalsregel heißt daher, die Schiffe weder zu lang im Wasser noch zu lang an Land liegen zu lassen. Eine gut gepflegte Riva ist ansonsten mehr oder weniger unsterblich, genauso wie ihre Anziehungskraft.
Auch die Tatsache, dass Kunden für eine brandneue Riva heute zwischen 800.000 bis eine Million Euro hinlegen müssen, zeigt, dass sich der Markt immer noch weiterentwickelt. Also vielleicht besser eine nur mieten? Einige machen das: »Die Mentalität ist ähnlich wie beim Kauf eines Hauses in den Bergen oder am Strand. Die Leute mieten erst eins um zu schauen, ob es ihnen gefällt. Genauso ist es mit Rivas, weil sie denken, dass sie sie nur selten nutzen werden«, weiß Peter.
Diese Kaufzurückhaltung erklärt, warum die Preise im Vergleich zu klassischen Autos gleicher Provenienz niedrig bleiben. Man kann eine Riva so nutzen wie viele ihre Autos. Und die Seltenheit spricht für sie. Für 80.000 bis 100.000 Euro – für so viel bekommt man eine von nur 800 gebauten Ariston – kauft man sich weitaus mehr Exklusivität als für einen gleich teuren E-Type ein. Der Markt steckt noch in den Kinderschuhen, doch scheint er bereit zum Abheben zu sein.
Text: James Elliott; Fotos: Tim Scott; Bearbeitung: Thomas Imhof