Die Geissens montiert auf einen Excalibur Phaeton
Szene

Wie tief kann man als Promi nach der Mille Miglia noch sinken?

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Mille Miglia


OCTANE#12

 

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Text Gabriele Spangenberg, Berthold Dörrich

Eigentlich sollten ja die Promis auf vier Rädern im Fokus stehen bei der Mille Miglia. Tatsache ist aber, dass sich die Promis auf zwei und, schlimmer noch, die auf vier Beinen in den Mittelpunkt des Geschehens drängen und ein Klassiker-Event zu einem B- oder C-Promi-Event verkommen lassen. Dies zumindest beklagen unsere Presenting Editor, Gabriele Spangenberg sowie unser Herausgeber Berthold Dörrich. Lesen Sie selbst!

Herausgeber Berthold Dörrich
Herausgeber Berthold Dörrich

// Liebe Gabriele,
Du musst mir heute dringend mal helfen: Ist die Oldtimerei etwa auf den Hund gekommen? Ganz vorneweg die Mille Miglia? Nein, nicht finanziell – da hat der Automobilclub Brescia ganz geschmeidig das »Modell ADAC« kopiert und scheffelt sich über sein Tochterunternehmen munter Mille-Miglia-Millionen aufs eigene Konto. Unerschrockene Teilnehmer zahlen ja immer noch gerne die Teilnahmegebühr, für die man mittlerweile auch schon einen neuen Kleinwagen erstehen könnte.

Und gefügige Industrie-Sponsoren schieben ihre Budgets freudig in die Taschen der italienischen Funktionäre, solange sie dafür nur genügend PR bekommen. Was man offensichtlich am einfachsten schafft, indem man möglichst viele B- und C-Promis in die eigenen Autos setzt. Egal, ob die jemals was mit Oldtimern am Helm hatten, oder am liebsten sofort wieder aussteigen würden, sobald die Paparazzi-Kameras außer Sicht sind (was der eine oder andere, wie man hört, auch wirklich tut).

Zu schreiben gibt’s über diese Veranstaltung eigentlich schon lange nichts mehr. In schöner Regelmäßigkeit werden es jedes Jahr mehr Teilnehmer-Autos, die Organisation hält sich auf konstant chaotischem Niveau. Die Frage, ob’s beim Start geregnet hat oder nicht, lässt sich in Zeiten von Wetter-Apps auch ohne Anwesenheit eines Journalisten klären. Und natürlich jubeln jedes Jahr Tausende von Italienern auf den Straßen dem Tross zu und sorgen für Gänsehaut-Atmosphäre. Die dürfte selbst Erol Sander erreicht haben. Tapfer hat der vom Verband fürs Deutsche Hundewesen zum »Botschafter des Hundes« gekürte Schauspieler dieses Jahr seine PR-Pflichten – für Hund und Sponsor – in einem Werks-Bugatti abgeleistet.

Jaguar brachte passend zum Promi-Status seiner Team-Mitglieder C- und D-Types an den Start. Da hat sich in der PR-Abteilung wenigstens mal wirklich jemand was dabei gedacht. Bravo! Auch die Kitzbüheler Alpenrallye, notorisch bekannt für gelangweilte Stars in Sponsoren-Klassikern, stürzte sich diesmal in bisher ungeahnte Tiefen hinab: Stratosphären-Springer Felix Baumgartner hielt es zumindest eine Etappe am Steuer des Werkswagens aus – dann war den PR-Pflichten Genüge getan und Zeit für Zweisamkeit mit Begleiterin Silvi Bödi – perfekt restauriert und ansonsten angeblich Model – im Sponsoren-Hotel.

Wie tief, fragt man sich, kann ein Promi noch fallen, nachdem er von einem Automobil-Sponsor zu einer Oldtimer-Rallye eingeladen wurde? Ist das Dschungelcamp danach wirklich noch ein Abstieg? Oder droht als Höchststrafe nur noch eine Mitfahrt mit den Geissens im Autokorso auf der Kö? Stilecht auf dem Rücksitz eines metallic-weißen Excalibur Phaeton mit Puff-Pudel auf dem Schoß. Der Verband für das Deutsche Hundewesen will ja schließlich auch wieder auf seine PR-Kosten kommen. Liebe Gabriele, bitte hilf mir. Du hast doch auch einen Hund!  //

 

Presenting Editor Gabriele Spangenberg
Presenting Editor Gabriele Spangenberg

// Lieber Berthold,
schrecklich. Ich kann Dir nicht helfen, trotz Hund. Ich habe nichts gegen B- und C-Promis, denn sie machen eine ganze Menge von Leuten glücklich. Allerdings wird durch sie keine Rallye attraktiver, da müssten es schon echte Stars sein wie Winnetou, Michael Caine, am besten direkt Michael Vaillant. Abgesehen vom Wetter, scheinen die Berichte über die Mille Miglia stets von Schnöseln in roten Hosen belebt, die sich beglückt über ihre neue Karriere als Rennfahrer auf die Schenkel klopfen. Mit den Händen an ihren dicken Bäuchen entlangschrammend …

Ich halte die Mille Miglia deshalb für eine gefährliche Rallye, weil dort oft Personen ans Steuer diffizil zu fahrender Autos gesetzt werden. Über erschöpfend lange Distanzen. Gegenlenken muss ein Reflex sein, vor allem in diesen kostbaren alten Autos, nicht eine durchdachte neu erlernte Aktion. Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr Berichte über die Prominenz mit vier Rädern, statt über die mit zwei Beinen. Denn welcher Herr oder welche Dame ist so wichtig, dass sie oder er einen Fiat Otto VU mit Zagato-Karosserie in den Schatten stellt?

Weißt Du, was Andy Warhol gesagt hat? (frei zitiert): »Wenn die Leute damit beschäftigt sind, ihre Fußnägel zu lackieren: auch gut, dann haben sie wenigstens etwas zu tun.« Ich bin froh, wenn diese Promis, die zu PR-Zwecken auf die Klassiker gesetzt werden, an diesen Veranstaltungen teilnehmen. Da sind sie bei den schicken Leuten der besseren Gesellschaft doch gut aufgehoben, und vor allem beschäftigt. Alle miteinander.

Gott sei Dank gibt es auch eine große Anzahl an wunderbaren Oldtimer-Events, allen voran Le Mans Classic, wo ich gerade herkomme. Da sieht man Jürgen Barth mit Willi Kauhsen – ein Glas Rosé in der Hand – am Nachmittag auf dem Campingplatz glücklich über die alten Rennwagen-Mythen sinnieren. Es fiele keinem Menschen dort ein, wie ein Star behandelt werden zu wollen, denn die echten Stars sind die Autos. Le Mans Classic ist die Essenz der Europäischen Rennwagengeschichte, eine solche Verdichtung von Stars mit zwei Beinen oder vier Rädern, dass sie allesamt in der Menge untertauchen und sich vom Geschehen selig treiben lassen.

Ist die Oldtimerei auf den Hund gekommen? Ich fürchte, ja. Bei uns auf jeden Fall. Oder vielleicht umgekehrt, denn mit der Geburt unserer Welpen, die prompt Turbo und Sauger genannt wurden, ist in diesem Haushalt eher der Hund aufs Auto bzw. den Motor gekommen. Im Übrigen würde ich eine Mitfahrt mit den Geissens auf der Kö dem Dschungelcamp bei Weitem vorziehen. Das wäre sogar sicher ein Spaß. Wobei ich als Kölnerin auch nicht garantieren kann, dass man so auf der Kö überhaupt auffallen würde. ////

Roadbook: Die unterhaltsame Brieffreundschaft zwischen Gabriele Spangenberg (Presenting Editor) und Berthold Dörrich (Herausgeber), an der die beiden Klassiker-Liebhaber uns in jeder OCTANE-Ausgabe teilhaben lassen, lässt häufig tiefer blicken. Vor allem aber gibt der Briefaustausch jedes Mal aufs Neue Grund zum Schmunzeln. Einblicke in einen Alltag, welcher unsere beiden Brieffreunde regelmäßig vor neue (Klassiker-)Fragen stellt.


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