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Lancia Aurelia Giardinetta – Woody auf die italienische Art

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RM Sothebys versteigert im Rahmen der Monterey Car Week einen der beiden überlebenden Aurelia Giardinettas. Der Turiner Karosseriebauer Viotti fertigte in den frühen Fünfzigerjahren insgesamt 47 der Edelkombis auf Basis des innovativen Lancias und interpretierte das Woodie-Thema auf die klassisch italienische Art.

Wenn man sich Lancias aktuelles Modellprogramm anschaut, mutet es fast schon unglaublich an, dass es sich bei der Traditionsmarke einst um einen der innovativsten und bedeutendsten Autobauer der Welt handelte. Die heutige Stellantis-Tochter ist nur noch in Italien aktiv und bietet auf dem Heimatmarkt nur noch eine Baureihe an – den alles andere als revolutionären Ypsilon, der mittlerweile auch schon über zehn Jahre auf dem Buckel hat.

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren, der Blütezeit Lancias, begeisterte die Ingenieursmarke ihre zumeist gutbetuchte Kundschaft dagegen mit zugleich fortschrittlichen und eleganten Fahrzeugen, wie beispielsweise der Flaminia oder der Aurelia. Mit letzterer hatten die Turiner das weltweit erste Großserienauto mit V6-Motor auf die Räder gestellt. Das Transaxle-Konzept und die moderne Schräglenker-Hinterachse unterstrichen den modernen Anspruch.

Von den 47 gebauten Aurelia Giardinettas haben offenbar nur zwei Exemplare überlebt.

Das US-amerikanische Auktionshaus RM Sothebys bringt vom 18. bis 20. August im Rahmen der diesjährigen Monterey Carweek insgesamt 154 faszinierende und großteils sündhaft teure Klassiker unter den Hammer. Bei dem 1952er Lancia Aurelia Giardinetta handelt es sich um eines der absoluten Highlights bei der Auktion, da der edle Kombi die wohl seltenste Aurelia-Variante überhaupt ist. Insgesamt 47 Aurelia-Rahmen wurden von dem Turiner Karosseriebauer Viotti mit der praktischen Karosserie versehen.

Es war ein schlauer Schachzug des Unternehmensgründers Vittorio Viotti, in den kargen Nachkriegsjahren auch Sonderkarosserien für erschwingliche Fahrzeuge sowie funktionalere Aufbauten in sein Angebot aufzunehmen. Zusätzlich zu den branchenüblichen Luxus-Coupés und Cabrios versteht sich. Im selben Zuge ließ er sich am 6. Mai 1946 die Bezeichnung “Giardinetta” schützen, die sich im italenischen Volksmund schon bald als Begriff für Kombi etabliert hatte.

Die äußere Farbgebung setzt sich auch im edlen Interieur fort.

Laut dem Autor Alessandro Sannia, der sich ausführlich mit der Historie von Viotti beschäftigt hat, war niemand geringeres als Giovanni Michelotti für die Linienführung des Edelkombis mit der hellen Holzbeplankung verantwortlich. Hierzulande ist der eifrige Turiner Automobildesigner heute vor allem für das Blechkleid des BMW 700 sowie für seine Beteiligung an der Gestaltung der “Neuen Klasse” bekannt. Bei allen Giardinettas auf Aurelia-Basis handelte es sich um Viertürer mit zwei konventionell angeschlagenen Hecktüren.

Heute sind nur noch zwei Überlebende Aurelia Giardinetta bekannt, die einst beide auf B53-Fahrgestellen realisiert wurden. Das Versteigerungsobjekt stammt aus der umfangreichen Sammlung des 2021 verstorbenen US-Großindustriellen Oscar Davis. Bevor das Auto 2008 jenseits des großen Teichs seine aktuelle Heimat fand, diente es einem Kloster im Süden Sardiniens als Lastesel. In den späten Achtzigerjahren befand sich die Aurelia in einem bemitleidenswerten Zustand, ein italienischer Lancia-Fan nahm sich jedoch der geschundenen Rarität an und ließ sie von einem Spezialisten liebevoll restaurieren.

Das andere überlebende Exemplar befand sich zum Zeitpunkt der Restauration in einem ordentlichen Zustand und wurde als Referenz herangezogen. Auch das dunkelgrün-beige Interieur mit den grau gestreiften Sitzbezügen wurde originalgetreu erneuert. Die Restauration wurde 1990 abgeschlossen und achtzehn Jahre später gewann Oscar Davis mit dem Auto beim Concours d’Elegance in Pebble Beach den ersten Preis in der Kategorie für Nachkriegs-Lancia. Unweit von dem damaligen Austragungsort findet im August die Versteigerung statt. RM Sothebys gibt das Estimate mit 190.000 bis 290.000 Euro an. Viel Geld, angesicht der Seltenheit des Fahrzeugs aber durchaus gerechtfertigt. Der italienische Woody dürfte bei jedem Oldtimer-Event die Blicke auf sich ziehen. Vorausgesetzt der neue Eigentümer lässt ihn nicht in einer klimatisierten Garage verstauben.

Text: Elias Holdenried // Fotos: RM Sothebys

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