Dieser Lincoln Indianapolis sieht nicht aus, als wären die Filzhutträger der 1950er auf ihn abgefahren. Das Showauto mit Boano-Karosserie hat eine bewegte Historie.
In den Fünfzigern erlebte Amerika einen Wirtschaftsboom. Doch während in den USA Reichtum und Vitalität herrschten, musste sich Europa von den Folgen des Krieges erholen. Automobilhersteller waren zum großen Teil auf den Exportmarkt USA angewiesen.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich italienische Designfirmen als wegweisende Stylisten und Karosseriebauer etabliert. In den 1950ern versuchten sie, ihre Dienste vor allem bei den Firmengiganten der amerikanischen Autoindustrie an den Mann zu bringen. Motown konnte große Mengen bezahlbarer Autos ausstoßen, um den heimischen Markt zu befriedigen. Doch angesichts abenteuerlicher und oft bizarrer US-Designs setzten die amerikanischen Autobauer für Showautos lieber auf die Kreativität italienischer Designer. Genau wie bei Schweizer Uhren, englischen Anzügen und französischen Möbeln suchten sich die meisten Autoindustriebosse eine kleine alte italienische Designbude, die nach ihrer Pfeife tanzte.
Chrysler hatte Ghia, Packard Bertone, und Hudson schnappte sich die Carrozzeria Touring. Ford hatte einen recht ungewöhnlichen Geschmack, weshalb es nicht verwundert, dass er die avantgardistische Carrozzeria Boano aus der Nähe von Turin beauftragte, der neuen Nobelmarke Lincoln ein bisschen mehr Glanz einzuhauchen. Das Ergebnis wurde 1955 auf dem Turiner Autosalon präsentiert: der Lincoln Indianapolis.
1955 war Gian Paolo Boano gerade mal Anfang zwanzig, aber an der Seite seines Vaters Felice Mario Boano hatte er bereits mehrere Jahre Autos entworfen. Zuerst bei Ghia, dann bei der Carrozzeria Boano. Berichten zufolge war der junge Boano ein kleiner Playboy, der das Leben in vollen Zügen genoss. »Ich habe immer mit großem Enthusiasmus gelebt und konnte mir alle Wünsche erfüllen«, sagte er in späteren Jahren. Bei so viel Leichtigkeit im Leben konnte das unverschämte Glück, für Henry Ford II ein Konzeptdesign zu realisieren, den jungen Italiener nicht allzu sehr beeindrucken.
Ein Freund von Boano hatte bei der Ford Motor Company gearbeitet und vorgeschlagen, auf der Basis eines Lincoln-Chassis ein Auto für den Turiner Autosalon zu entwerfen. Anfang 1955 wurde bei Boano das Lincoln-Chassis mit der Nummer 58WA10902 angeliefert. Das Fahrgestell hatte einen 225 PS starken 341ci-V8-Motor mit Vierfachvergaser sowie 4-Gang-Automatikgetriebe, Einzelradaufhängung vorn mit Dämpfern und Schraubenfedern, Blattfedern an der angetriebenen Hinterachse und Trommelbremsen rundum. Eine heiße Spezifikation für die damalige Zeit!
Das Projekt Indianapolis war typisch für den italienischen Autobau der 1950er-Jahre. Es begann mit kaum mehr als ein paar großformatigen Skizzen, etwas Metallblech und ein paar Rohren – und jenem arglosen Chassis. Der Designprozess wurde zweifelsohne vom Düsen-Zeitalter beeinflusst. Das fertige Produkt hat eine lange, fallende Nase, die keine Kühllufteinlässe besitzt und von zwei länglichen Scheinwerfereinheiten flankiert wird. Darunter ein großer Chromstoßfänger. Die Frontflügel erstrecken sich bis in die Türen hinein und enden mit drei Pseudo-Auspuffrohren, deren Gegengewicht große Lufteinlässe mit jeweils fünf Chromstreben am vorderen Ende der Heckflügel bilden.
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Fotos Amy Shore
Diese Story finden Sie in OCTANE Ausgabe 24