Moderne Klassiker

Ein F50 sucht die Rennstrecke

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Zum 50. Firmengeburtstag spendierte Ferrari 349 Freunden des Hauses einen F1-Supersportler. Den F50, für den normale Straßen viel zu langweilig sind.

Der F50 hatte einen berühmt-berüchtigten Vorgänger – den F40. Der galt als eine schwer zu zäh- mende Fahrmaschine, was in Sammlerkreisen für höchste Anerkennung sorgt, wenn jemand den brutalen Schub des V8 mit 478 SPS auf die Straße bringt. Der F50 mit 520 PS aus einem V12 war nominell stärker, doch viel beherrschbarer. Als dieses Jubiläumsmodell 1996 erschien, war Enzo Ferrari längst tot und ein gewisser Luca di Montezemolo, zuerst Assistent von »Il Drago« und dann sein Rennleiter, führte die Geschäfte. Im besten Sinne.

Der F40 war ein Rennsportwagen für die Straße, der F50 ein Sportwagen mit F1-Genen. Klingt marginal, macht aber viel aus. Und erlaubte der Kundschaft, den F50 zu genießen, den sie für viel Geld kaufen konnten – denn der F50 wurde verteilt, handverlesen. Und keiner dürfte nein gesagt haben, als er gefragt wurde, ob er einen haben wollte. Der Preis von umgerechnet 380.000 Euro sollte kein Problem gewesen sein, auch wenn der F40 zehn Jahre früher nur 225.000 Euro gekostet hatte. Aber das spielte in dieser Supersportwagenklasse im Grunde keine Rolle, denn beide Modelle waren blitzschnell verkauft. Beim F40 hatte man die Limitierung sogar noch aufgehoben und statt 450 am Ende 1315 Stück gebaut – das Überauto wollten viele und das drückt heute etwas auf die Auktionspreise.

Die typische Formel-1-Nase war Mitte der 1990er-Jahre auch beim F50 zu erkennen.

Beim F50 trat Ferrari bewusst auf die Bremse, nach 350 Stück war Schluss: 349 für die Kundschaft, einer fürs Museum. Vermutlich wäre der Aufwand einer Verlängerung beim F50 zu teuer geworden, denn viele Teile waren Spezialanfertigungen, so wie die Radschrauben und Pleuel aus Titan, die Felgen aus Magnesium und die Karosserie aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff. Außerdem: Nichts steigert den Preis besser als Verknappung und so soll ein F50 bereits beim Kauf das Doppelte wert gewesen sein. Wie viele Käufer das genutzt haben, ist nicht bekannt, aber es gab ein paar Kurzzeithalter. Nur so kam Ex-Box-Champion Mike Tyson zu seinem Ersthand-F50.

Aber die meisten behielten den Traumwagen und angesichts der Kilometerstände in Auktions-Offerten darf man feststellen: Gefahren wurden sie nur wenig. Dabei war der F50 nicht nur ein Coupé, sondern auch ein Cabrio: Das schmale Dach war ein Hardtop, das sich naturgemäß abnehmen ließ und aus dem F50 einen Spider machte – oder ihn als Spider entlarvte, müsste man genauer sagen. Auch offen sollen 300 km/h möglich gewesen sein, geschlossen standen 325 im Datenblatt.

Der V12 stammt indirekt aus der Formel 1 und wurde für den F50 modifiziert. 520 PS werden bei 8500 Umdrehungen freigesetzt.

Der Motor stammte in direkter Linie von dem 3,5-Liter- V12 ab, den die Scuderia 1990 im F1-Modell 641 einsetzte und der dort 665 PS bei kreischenden 13.200 Touren erreichte. Der Hubraum wurde auf 4,7 Liter vergrößert und die Höchstleistung war schon bei 8500 Umdrehungen abrufbar. Was die Tonlage mindert, aber fürs Cruisen immer noch viel ist, wenn man nicht sehr bewusst im obersten Gang dahinbummelt – und wer hält das in so einem Fahrzeug schon aus? Ein Sechsgang-Schaltgetriebe mit traditionell offener Kulisse verteilte die Kraft des Mittelmotors an die Hinterräder. Automaten waren damals indiskutabel und straßentaugliche sequenzielle oder Doppelkupplungsgetriebe nicht verfügbar.

Trotz aller technischen Raffinesse wirkt der Innenraum des F50 – ein Monocoque wie in der Formel 1 – erstaunlich normal, man ist versucht zu sagen: bieder. Dreispeichenlenkrad, Blinker- und Wischerhebel, Handbremse in der Mittelkonsole, runde Lüftungsdüsen – man darf nicht vergessen, das war damals zwar state-of-the-art, für einen Supersportwagen aber geradezu profan. Heute wäre es undenkbar. Doch es machte den F50 bei aller Leistungsfähigkeit alltagstauglich für Menschen, die sich sonst nicht auf, sondern höchstens neben der Rennstrecke aufzuhalten pflegten. Und mehr mit ihrem neuen Spielzeug auch nicht zu tun gedachten.

Der 4,5-Liter-Zwölfzylinder mit 180°-Zylinderbankwinkel leistete 60 PS mehr,
als zunächst von Porsche erwartet – 580 statt 520.

Dabei hatte Montezemolo den F50 als das »erste und letzte Formel-1-Auto mit zwei Sitzen« bezeichnet. Die Ambitionen hätten also größer sein dürfen, doch vermutlich war der erzwungene Verzicht auf Servolenkung, Airbags, ABS und elektrische Fensterheber für viele ausreichend genug, Sportsgeist zu demonstrieren.

Immerhin bescheinigten Tester dem F50 seinerzeit ein sehr präzises Fahrverhalten und eine in der Mittellage etwas träge, aber sehr exakte Lenkung. Zusammen mit den sehr kurzen Schaltwegen ließ sich der F50 mehr als rassig bewegen. Und man darf nicht vergessen: Es war die Zeit eines VW Golf 3 oder BMW E36, als der F50 auf die Straße kam. Da waren 520 PS noch mehr wert als heute.

Allerdings lammfromm gibt sich auch ein F50 nicht. Typisch Ferrari ist das heisere Auspuffbellen, wenn der Zündschlüssel gedreht wird. Kein Kompressor, kein Turbo pfuscht in die 12-Zylinder-Oper; das ist noch ein reiner Saugmotor, der da vor sich hin grollt. Beim leichten Druck aufs Gaspedal erhebt die Diva hinter den Sitzen dann ihre Stimme. Das Tremolo scheppert ein wenig blechern im oberen Drehzahlbereich und signalisiert spätestens dann, dass man vielleicht doch mal schalten sollte, bevor sie oder er auf dem Beifahrersitz die Kommunikation einstellt.

Text Glen Waddington // Fotos Dean Smith // Bearbeitung Thomas Imhof

Lesen Sie in OCTANE #65, warum der Ferrari F50 nicht zum Daily Driver taugt – aber saumäßig viel Fahrspaß macht.

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