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Porsche 917 – die Saat des Erfolgs

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Der Porsche 917 dominierte 1970 und 1971 in Le Mans, aber seine Geschichte begann schon viel früher, und zwar mit diesem Auto – der Nummer Eins.

Der Porsche 917 war ein so furchterregend schnelles Auto, dass sich in der Saison 1969 einige Fahrer weigerten, sich zum Beispiel in Spa oder am Nürburgring hinters Steuer zu setzen. Stattdessen zogen sie den erprobten 908 vor. Diejenigen, die es trotzdem wagten, mussten die Tränen und Sorgen ihrer Ehefrauen ertragen. Denn heute erinnert man sich vor allem an die Le-Mans-Siege von 1970 und 1971 – aber der 917 war nicht von Anfang an ein Game Changer. Sein enormes Potenzial wurde erst nach und nach von einem Team erschlossen, in dem einige der klügsten Köpfe arbeiteten, die es je im Motorsport gegeben hat.

Fragt man einen der Beteiligten nach seiner Rolle bei der Entwicklung des 917, so fällt einem (abgesehen von der eigenen Bescheidenheit) vor allem eins auf: Sie alle erwähnen Ferdinand Piëch. Häufig. Piëch war 1968 als Chefingenieur für den Motorsport zuständig, im damals noch von seinem Onkel Ferry Porsche geleiteten Familienunternehmen. Porsche hatte da schon viele Rennerfolge vorzuweisen, aber Piëch wollte mehr als Klassensiege. Er wollte das 24-Stunden-Rennen von Le Mans (endlich) auch im Gesamtklassement gewinnen. 

Ein Motor, ein Design und eine Zahlenfolge für den Motorsport-Olymp.

Der gebürtige Österreicher entwarf die Spezifikationen des Wagens zusammen mit Motorenmaestro Hans Mezger, der später zum Projektleiter 917 ernannt wurde. Die beiden versprachen 500 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h – Werte, die es bis dahin im Sportwagenbau noch nicht gegeben hatte.

»1963 hatte Piëch zwei 911er-Motoren zu einem 12er-Boxer zusammengeschweißt«, sagte der 2020 verstorbene Mezger in einem Interview. »Porsche dachte also bereits früh über einen Zwölfzylindermotor nach. Aber das Triebwerk für den 917 war kein echter Zwölfzylinder und erst recht kein Boxermotor. Wir mussten die Zündfolge ändern, so dass es in Wirklichkeit ein 180°-V12 wurde. Aber er hatte einen Mittelabtrieb, der seine hohe Zuverlässigkeit erklärte. Und die Leistung übertraf unsere Erwartungen deutlich.«

Richard Attwood, Hans Herrmann, Helmut Marko und Gijs van Lennep fuhren in so einem Cockpit zum Le Mans-Sieg 1970 und 1971.

In einer Broschüre, die anlässlich der Weltpremiere des 917 auf dem Genfer Automobilsalon am 12. März 1969 gedruckt wurde, nannte Porsche nur 520 PS. Die Angabe basierte auf Versuchen mit einem Sechszylinder-Viernockenwellenmotor. Die Ingenieure hatten dessen PS-Zahl, 260, einfach verdoppelt! Doch als der Zwölfzylinder im April getestet wurde, stellte sich heraus, dass er schon locker 580 PS leistete.

»Da sich die gegenüberliegenden Kolben einen Kurbelzapfen teilten, konnten wir die Anzahl der Lager reduzieren«, erklärte Mezger. »Das hatte Vorteile bei der Fertigung und beim Ölverbrauch. Außerdem haben wir Öl in die Kurbelwelle geleitet, sodass die Reibung an den Lagern deutlich geringer war. So haben wir beim Zwölfzylinder-Layout 60 PS gewonnen.« Es gab also keine Ausreden mehr, obwohl Porsche für 1969 noch nicht mit dem großen Erfolg rechnete. Es sollte das Erprobungsjahr für die neue Superwaffe sein.

Der 4,5-Liter-Zwölfzylinder mit 180°-Zylinderbankwinkel leistete 60 PS mehr,
als zunächst von Porsche erwartet – 580 statt 520.

Unser Fotomodell, Chassis 917-001, ist nie ein Rennen gefahren. Es diente nach Genf noch als Ausstellungsfahrzeug für die IAA von 1969 (Langheck in Weiß/Orange) und die London Motor Show (Langheck in Gulfblau/Orange), wurde im September 1970 auf ein Kurzheck umgebaut und einen Monat später in den Farben des zuvor in Le Mans siegreichen Porsche-Salzburg-917 (rot-weiß gestreift) auf dem Pariser Salon ausgestellt. Seit 2009 stand das Auto dann genau so im Porsche-Museum.

Aus Anlass des Jubiläums »50 Jahre 917« entschloss sich das Porsche-Museum im Oktober 2017, den 917-Erstling wieder in den Stand von Genf 1969 zurückzuverwandeln. Eine erste technische Bestandsaufnahme erfolgte im Januar 2018. »Dieser Wagen entstand in der Porsche-Motorsportabteilung in Weissach und dort wurde er auch restauriert«, betont Alexander Klein, Leiter Porsche-Fahrzeugsammlung und Heritage Experience. »Wir wollten maximale Authentizität, sprich den exakten Originalzustand des Wagens wiederherstellen. Um das zu erreichen, haben wir einige der Techniker einbezogen, die ihn 1969 gebaut haben.«

In Le Mans hatte Porsche 1970 mit Hans Herrmann und Richard Attwood nicht nur den lang ersehnten Gesamtsieg errungen, sondern mit dem zweitplatzierten »Hippie«-Langheck 917 von Gérard Larrousse und Willi Kauhsen sowie dem 908 »Flunder« von Helmut Marko und Rudi Lins sogar das komplette Podium okkupiert. Der Sieg war vor allem das Verdienst derjenigen, die die Aerodynamik des 917 in den Griff bekommen hatten. 

Text Glen Waddington // Fotos Dean Smith // Bearbeitung Thomas Imhof

Lesen Sie in OCTANE #65, wie Porsche die Kraft des 917 für die Rennstrecke zähmte und welcher Aufwand hinter der Restauriwerung steckte.

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