Kaum ein Sportwagen wird so verehrt wie die AC Cobra, die auf unnachahmliche Art britischen Stil mit amerikanischer Urgewalt in Form eines bärenstarken V8-Motors verband.
Die Frage nach den wichtigsten Modellen der Automobilgeschichte ist – egal wie man es dreht und wendet – knifflig. Vor zwei Jahrzehnten wurde Fords Model T zwar zum »Auto des Jahrhunderts« gewählt. Doch bei rund 15 Millionen gebauten Modellen reicht die historische Bestleistung nicht aus, um einen hohen Werterhalt zu sichern.

Stellt sich die Frage, was in Bezug auf den Sammlerwert die bedeutenden Autos und Marken vom großen Rest unterscheidet? Originalität ist sicher ein starkes Argument. Denn die wirklich legendären Modelle scheinen in Form einer Osmose zu entstehen. Bei der – wie bei dieser AC Cobra – alle Faktoren glücklich zusammenkommen. Die AC Cobra war für Shelby der Urknall. Es ist eine Geschichte, die 1961 beginnt. Da ist der ehemalige Geflügelzüchter und Le Mans-Sieger von 1959 mit Aston Martin bereits 38 Jahre alt. Wegen Herzbeschwerden hat er 1960 den Helm an den berühmten Nagel gehängt. Nun sucht der finanziell ziemlich klamme Texaner nach neuen Herausforderungen.
Sein großer Traum ist ein eigener Sportwagen. »Gab es jemals den Prototypen des Unternehmers, dann Carroll Shelby«, schwört sein Enkel und Vertrauter Aaron Shelby. »Er fürchtete keinen Misserfolg und pflegte zu sagen: ‚Setzt mich morgens nackt an eine Straßenecke und bis zum Abend habe ich mir einen Anzug gekauft und werde sogar noch in ein Steakhaus eingeladen.«
»Während meiner ganzen Fahrerkarriere«, verriet mir Carroll 2010 mit speziellem Hinweis auf seine Aston Martin-Zeit, »schmiedete ich schon Pläne, eines Tages mein eigenes Auto zu bauen. Shelbys Heimatstaat Texas war in Bezug auf Sportwagen und Sportwagenrennen noch ziemlich unbedarft. Also zog Shelby nach Süd-Kalifornien und nistete sich im Hinterhof der Werkstatt von Hot-Rodder Dean Moon in Santa Fe Springs ein. Bald schon leitete er den Vertrieb von Goodyear-Reifen für die Westküste, rief Amerikas erste Rennfahrerschule ins Leben und wurde Berater des renommierten Magazins Sports Car Graphic.
Im Herbst 1961 wurden Shelbys Träume war. John Christy, Absolvent der Shelby-Rennfahrerschule, Hobbyracer und Herausgeber von Sports Car Graphic, erzählt im Buch Carroll Shelby’s Racing Cobras, wie die Redaktion über zwei Pressemeldungen diskutierte. Eine verkündete, dass Ford die Produktion seiner neuen 221 und 260 cubic-inch-V8 startete; die andere das Produktionsende der Sechszylinder von Bristol, die AC Cars in England für seinen Roadster zukaufte.
»Eine Woche später«, schreibt Christy, »machte Shelby auf dem Weg nach England in Detroit Station. Er wollte Ford überreden, ihm den Motor zu liefern, AC sollte das Auto stellen.« AC gab der Ur-Cobra die Chassisnummer CSX2000, CSX für Carroll Shelby Experimental. Gemäß The World Registry of Cobras & GT40s rüsteten die Briten den Rahmen eines Ace mit stärkeren Chassis- Trägern, verstärktem Fahrwerk, innenliegenden Scheibenbremsen, einem Salisbury-Differential und weiteren Feinheiten auf. Mit einem Ford 221ci unter der Haube testeten Carroll und AC Boss Derek Hurlock das Auto auf dem Prüfgelände MIRA. Darauf folgten Modifikationen wie verlängerte Blattfedern und neue Querlenker. Nach weiteren Tests wurde der Motor ausgebaut und am 2. Februar 1962 ging CSX2000 als Luftfracht nach Amerika.
Laut Shelby-Werksfotograf Dave Friedman dauerte es nach Ankunft des Autos in Dean Moons Werkstatt kaum acht Stunden, um CSX2000 einen Ford 260ci und ein Vierganggetriebe zu ver- passen. Nur wenige Stunden später saß John Christy schon hinter dem Lenkrad des Rohlings, auf der Jagd nach Corvettes …
Text Winston Goodfellow // Fotos Pawel Litwinski, Darin Schnabel // Übersetzung Thomas Imhof