Moderne Klassiker

Zeitreise mit Nick Heidfeld und Pininfarina

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 »Nick Heidfeld kehrt nach vielen Jahren zu seiner ersten Liebe zurück!« Was sich liest wie eine Meldung aus der Regenbogenpresse hat damit ausnahmsweise gar nichts zu tun.

 Auch wenn eine solche Sensationsheadline auf den ersten Blick nicht überraschen würde, denn die handelnde Person hat einen Großteil ihres Lebens als Teil des in Liebesdingen nicht immer hervorragend beleumundeten Formel-1-Zirkus zugebracht. Und zumindest mit Blick auf seine häufig wechselnden Arbeitgeber ist Nick Heidfeld denn auch nicht gerade durch überbordende Treue aufgefallen – auch wenn das in den meisten Fällen wohl nicht von ihm zu verantworten war. Nicht weniger als acht Rennställe hatte er in seiner aktiven Formel-1-Zeit zwischen 2000 und 2011 als Arbeitgeber. Dabei ist er im Grunde seines Herzens eigentlich eine treue Seele. Privat sowieso. Aber auch seine automobilen Präferenzen scheinen eher beständigerer Art zu sein. Noch bevor er im Alter von acht Jahren in den Kartsport einstieg, hatte er sich schockverliebt. In eine Italienerin. Die war natürlich rot. Hörte auf den wenig klangvollen Namen »F40«. Viel wichtiger und wohlklingender war aber das Design-Haus, das hinter den faszinierenden Formen des F40 stand: Pininfarina. Das 1:18 Modell, das er sich damals als Steppke wünschte, ist heute noch Teil seiner Modellautosammlung.

Auch wenn er bei unserem Gespräch erst mal darüber nachdenken muss, wohin er das mittlerweile etwas ramponierte Bburago-Modell weggepackt hat. Das Design des F40 hatte es ihm auf jeden Fall derart angetan, dass er Zeit seines Lebens fasziniert auf die automobilen Preziosen blickte, die das Label Pininfarina trugen. Auch wenn dieses Statement für jemanden, der sein Geld mit schnellem Fahren verdient überraschend  klingt – bei Klassikern jedenfalls, oder solchen, die das mit ziemlicher Sicherheit noch werden hat sich Nick festgelegt: »Für mich steht vor allem die Optik im Vordergrund. Dann kommt das Fahrvergnügen.« Einen Ferrari hat er deshalb natürlich auch schon besessen – einen Testarossa allerdings, keinen F40. »Der Testarossa war das Postercar meiner Jugend. Auch ein Pininfarina-Design, der mir auch heute immer noch gefällt. Nur vom Fahren her hat er mich einfach überhaupt nicht überzeugt und ich habe ihn deshalb auch wieder verkauft.« Ein Aston Martin DB4 oder DB5 hätte es ihm noch angetan. Der aktuell faszinierendste Neuzugang seiner Sammlung allerdings ist ein Porsche Carrera GT. Natürlich begeistert ihn auch hier die Linie – vor allem aber der unglaubliche Sound des 10-Zylinder-Motors. Für Nick Heidfeld »der beste Sound, ever!«. Könnte sein, dass dieser Sound in Zukunft von keinem anderen Supersportwagen mehr übertrumpft werden wird. Und wenn es so käme, hätte Nick Heidfeld einen nicht unerheblichen Anteil daran. Denn Nick ist gerade zu seiner ersten Liebe zurückgekehrt: Nick goes Pininfarina. Und Nick goes electric.

Der vollelektrische Pininfarina Battista auf der Teststrecke in Nardo. Am Volant: Nick Heidfeld.

Seit den Tagen des F40 hat sich einiges getan bei Pininfarina. Und noch mehr, wenn man ein wenig weiter in die Firmengeschichte zurückgeht. Wir wollen diese hier nicht komplett aufrollen und alle Highlights aufzählen. Aber das Jahr 1947 sollte erwähnt werden, denn es stellte nach den dunklen Jahren des Zweiten Weltkriegs eine Zeitenwende im Automobildesign dar, die auch ein deutliches Zeichen für die Umwälzung der gesamten Automobilindustrie darstellte.

Mit der bahnbrechenden Karosseriegestaltung des Cisitalia 202 Gran Sport schreibt Carrozzeria Pinin Farina Designgeschichte. Unzählige legendäre, stilbildende Nachkriegsautomobile wurden seither hier entworfen. Neben ikonenhaften Sportwagen gehört auch der Lancia Florida (s. Seite 98) dazu, der 1955 ähnlich prägend für das Limousinen-Design war, wie der Cisitalia für das Sportwagen-Segment. 2015 übernimmt der indische Mahindra-Konzern, hierzulande wenn überhaupt, dann eher durch robuste Geländewagen im Jeep-Stil bekannt, die Mehrheit an dem Unternehmen. Und verpflichtet Anfang 2018 zunächst den ehemaligen CEO von Audi India, Michael Perschke für eine Idee, die heute als Automobili Pininfarina GmbH mit Sitz in München ein schier unglaubliches Supersportwagenprojekt vorantreibt. Ein Projekt, das eine ähnliche Zeitenwende bedeuten könnte, wie der Cisitalia, oder der Lancia Florida damals. Nicht weniger als eine Zeitreise in die Zukunft des Automobils, an der das Haus Pininfarina wieder maßgeblich beteiligt sein möchte. Und eine Zeitreise für Nick Heidfeld, in der er die Erinnerungen seiner Kindheit mit der großen Vision einer elektrischen automobilen Zukunft verbinden könnte. Diesmal allerdings nicht im Maßstab 1:18, sondern 1:1.

Als Testfahrer live dabei bei der Entwicklung eines Supersportwagens neuer Art. Klar, wunderschön designed – wenn auch formal nicht annähernd so revolutionär wie der Cisitalia seinerzeit. Dafür als technologisch-formales Gesamtpaket durchaus faszinierend. 

Unwidersprochener Überlieferung nach sollen die wenigsten Pininfarina-Entwürfe von Battista oder Sergio selbst stammen. Als weitsichtige Unternehmer waren sie aber immer besonders gut darin, jungen Designern im Hause große Freiheiten bei ihren Entwürfen zu geben. Am Ende wohl auch ein Grund dafür, dass das Unternehmen schnell deutlich über die Grenzen eines kleinen Karossiers hinauswuchs und sich selbst als Hersteller von Kleinserien einen Namen machen konnte. Der bekannteste ist sicher der 124 Spider, der am Ende selbst seinen Fiat-Markennamen gegen das Pininfarina-Spidereuropa-Label eintauschte.

Mit dem Designer Luca Borgogno, der ebenfalls 2018 von der Pininfarina SpA als Design-Direktor zur neuen Automobili Pininfarina wechselte, sowie Mahindra als finanzkräftigem Mehrheitseigner soll der Traum der Pininfarina-Familie wahr werden, den Familiennamen als Automobil-Marke dauerhaft zu etablieren. Wenn auch vermutlich weniger auf den Straßen sichtbar, so doch in den Garagen wohlhabender Sammler, ebenbürtig neben Modellen anderer Hochkaräter-Marken. Obwohl »ebenbürtig« dem Ehrgeiz der Automobili Pininfarina Truppe und dem, was da gerade auf der Teststrecke seiner Vollendung entgegengeht, nicht wirklich gerecht wird.

»Battista« heißt das Projekt, stolz nach dem Gründer des Unternehmens benannt, soll nicht weniger sein als der stärkste italienische Sportwagen, der jemals gebaut wurde – und vermutlich auch der teuerste. 1,98 Millionen Euro plus Märchensteuer (gegen die unsere österreichischen Leser – felix Austria! – eine sechsstellige Öko-Steuerersparnis gegenrechnen dürfen) sind ebenso eine Ansage, wie 1900 PS, 2300 Nm Drehmoment, 350 km/h Topspeed und eine Beschleunigung von 0 auf 100 in weniger als 2 Sekunden! 

Nicht überraschend nahezu identisch mit der Performance des Rimac C Two, dessen technische Basis Pininfarina für den Battista nutzt. Dass die fahrbar bleiben und zumindest ab und zu auf einer öffentlichen Straße im Zaum gehalten werden können, dafür soll auch Nick Heidfeld sorgen. 

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