Moderne Klassiker

Jaguar F-Pace SVR Edition 1988: Ein gewagter Spagat

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Jaguar versucht mit der “Edition 1988” des F-Pace SVR zwei maximal gegensätzliche Fahrzeuge miteinander zu verbinden. Der stärkste Hochsitz der Marke soll mit etwas Retro-Schminke die Brücke zum extrem flachen Le Mans-Sieger von 1988 schlagen. Kann dieser Spagat gelingen?

Jaguars mittlerweile dritter Neustart innerhalb von vier Jahrzehnten hat der springenden Raubkatze wieder nicht zu dem erhofften Erfolg verholfen. Auch wenn die moderne Linienführung des langjährigen Chefdesigners Ian Callum anfangs die Kritiker sowie einen gewissen Teil der Stammkundschaft begeisterte, konnte der Traditionshersteller in Sachen Absatz nie mit den übermächtigen Premium-Konkurrenten aus Deutschland mithalten.

Knapp dreizehn Jahre nach dem Start des letzten Relaunches unter dem Dach des indischen Tata-Konzerns hat nicht nur Callums einst als revolutionär geltende Formensprache ihre Frische verloren, auch Jaguars Verkaufszahlen kennen seit geraumer Zeit nur eine Richtung – nach unten. 2021 brachte das Traditionsunternehmen aus Coventry gerade noch 86.270 Autos an die Frau oder den Mann.

Selbst die Einführung im Trend liegender SUV-Modelle brachte nicht den gewünschten Erfolg und konnte den Absatzrückgang in den vergangenen Jahren nur bedingt abfangen. Auch deshalb haben sich die Briten dazu entschlossen, zur Mitte des Jahrzehnts nochmals einen konsequenten Neuanfang zu wagen.

Jaguar soll ab 2025 eine reine Elektromarke sein und sich wie in der goldenen Ära voll und ganz auf das Hochpreis-Segment konzentrieren. In den nächsten zweieinhalb Jahren sollen keine weiteren Baureihen eingeführt werden. Stattdessen belassen es die Briten bei Facelifts und Sondereditionen bereits bestehender Modelle, da deren Entwicklungskosten gegen Null gehen und sie quasi keine Risko für den angeschlagenen Hersteller bedeuten. Zudem ist die Kundschaft aufgrund einer künstlichen Verknappung mithilfe limitierter Stückzahlen ohne Murren dazu bereit, teils üppige Aufpreise zu bezahlen.

Das Sondermodell verfügt über ein erweitertes “Black Pack”, also geschwärzte Details.

Naheliegenderweise ist auch die neueste Kreation von Jaguars Abteilung für Sondereditionen kein Schnäppchen. Der F-Pace SVR “Edition 1988” soll zwar international erhätlich sein, bisher wurden jedoch nur die Preise für das United Kingdom veröffentlicht. Auf der großen Insel startet die neueste Variante des bärenstarken Mittelklasse-SUV bei 101.550 Pfund Sterling, umgerechnet also bei etwa 118.890 Euro. Den normalen F-Pace SVR können britische Kunden für 20.000 Pfund weniger bestellen.

Dafür werden aber auch nur 394 Fans einen F-Pace SVR “Edition 1988” zu ihrer Sammlung hinzufügen können. Doch warum hat sich Jaguar bei der Limitierung ausgerechnet auf diese Zahl festgelegt? Laut dem Hersteller hat der Jaguar XJR-9 LM, auf den sich der Hersteller mit dem neuen Sondermodell ausdrücklich bezieht, bei seinem Le Mans-Sieg im Jahre 1988 genauso viele Runden auf dem legendären Circuit des 24 Heures abgespult.

Die Parallelen zwischen den beiden vierrädrigen Raubkatzen, die im Rahmen des diesjährigen 24 Stunden Rennens in Le Mans (8. bis 12. Juni) Seite an Seite ausgestellt werden sollen, beschränken sich jedoch auf die Farbgebung. Die Farben lila und gold dominieren bei dem Sondermodell – Genau die Nuancen, die in den ausgehenden Achtzigerjahren Jaguars Langstreckenrennwagen erkennbar machten.

Der XJR-9 LM gewann 1988, trotz eines Getriebeschadens, die 24 Stunden von Le Mans.

Für den F-Pace SVR “Edition 1988” hat Jaguar einen exklusiven Violettton angemischt, der den poetischen Namen “Midnight Amethyst Gloss” trägt und im Schatten fast schon schwarz wirkt. Die geschmiedeten 22-Zöller und das Markenlogo auf der Heckklappe sind in einem kontrastrierenden Champagner-Gold gehalten. Auch die Zierleiste auf dem Armaturenbrett sowie die Speichen des Lenkrads und die Schaltpaddel wurden mit dem matten Goldton veredelt.

Ansonsten findet sich im Innenraum eine Lederausstattung, dessen dunkles braun an Ebenholz erinnert, sowie Dekor-Elemente aus offenporigem Carbon. Spezielle “Edition 1988”-Logos auf den beiden vorderen Kotflügeln runden die exklusive Überarbeitung ab.

Auch wenn die historische Referenz, welche Porsches legendäre siebenjährige Siegesserie in Le Mans beendete, von einem Siebenliter-V12 mit 760 PS angetrieben wurde und konsequent auf Leichtbau getrimmt war, hat Jaguar bei der “Edition 1988” die Technik des F-Pace SVR nicht angetastet. Der 2,1 Tonnen schwere Koloss wird weiterhin von dem bewährten und 550 PS starken Kompressor-V8 befeuert, der mit einer Achtgang-Automatik zusammenarbeit und eine Höchstgeschwindigkeit von 286 km/h ermöglicht. Unter Idealbedingungen schießt der noble Brite in nur 4,1 Sekunden von Null auf Hundert.

Auch im Interieur setzen die Jaguar-Designer auf ein mattes Gold.

Auch wenn sich die Fahrleisungen angesichts der üppigen Abmessungen und des hohen Gewichts sehen lassen können, wirft Jaguars neuestes Sondermodell eine grundlegende Frage auf. Hätte der F-Type, im direkten Vergleich ein Sportwagen der alten Schule, angesichts des kompromisslos sportlichen Inspirationsquelle nicht das passendere Basisfahrzeug abgegeben?

Dass die Wahl auf das beliebtere Flaggschiff-SUV fiel, dürfte aus unternehmerischer Sicht ein schlauer Schachzug sein. Aus der Perspektive der Jaguar-Sammler könnte sie jedoch fast schon als Affront aufgenommen werden. Viel weiter von der historischen Inspirationsquelle hätte sich der Autobauer wohl nicht entfernen können, wodurch die “Edition 1988” von kritischen Puristen wohl als plumper Marketing-Gag abgestempelt werden dürfte.

Für die vereinzelten glücklichen Sammler, die zufällig einen der wenigen Überlebenden XJR9-LM in ihrer Klassiker-Garage stehen haben, dürfte das eher unspektakuläre Sondermodell jedoch eine ideale Sammlungsergänzung darstellen. Vor allem, weil der Fünfsitzer mit seinem brauchbaren Kofferraum und den üppigen Platzverhältnissen wohl das ideale Alltagsfahrzeug für traditionsbewusste Markenfans ist.

Text Elias Holdenried // Fotos Jaguar

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