Lamborghini 350 GT
Text Winston Goodfellow // Fotos Paul Harmer
KEIN SUPERCAR-HERSTELLER WAR SO WILD ENTSCHLOSSEN, MIT SEINEN FAHRZEUGEN EINDRUCK ZU SCHINDEN WIE LAMBORGHINI. DAHER AM LIEBSTEN MIT V12-MOTOR – EINE SYMPHONIE DES EXZESS
Wir alle kennen die Anekdote – oder die nie bestätigte Mär – der zufolge der Self-made-Millionär Ferruccio Lamborghini mit seinem Ferrari so viel Ärger hatte, dass er beschloss, sich sein eigenes – überlegenes – Auto selbst zu bauen. Ob das nun stimmt oder nicht, Tatsache ist, dass der Nutzfahrzeughersteller 1963 seine eigene Sportwagenmanufaktur gründete und bereits im Jahr darauf den Lamborghini 350 GT hergestellt hat.
Wirtschaftlich lief es nicht immer rund, trotzdem existiert die Marke seit über 50 Jahren – und allein die Latte an V12-motorisierten Lamborghini ist mehr als beachtlich. Die wichtigsten (hier: Teil 1) folgen als Serie im Porträt. Sie alle zeigen noch einmal und eindrücklich, wo der Hammer hängt – und das ist keine Mär: Lamborghini ist nach wie vor der wohl abgefahrenste Hersteller von Supercars.
TEIL 1: DER LAMBORGHINI 350/400 GT
PRODUKTIONSZEITRAUM: 1964 – 67/ 1966 – 68, STÜCKZAHL: 120/23 GT, 224 GT 2+2
Ein lebloses Objekt hat eigentlich kein Charisma. Aber selbst nach der kleinsten Spritztour in einem Lamborghini 350 GT mag man nicht mehr so recht daran glauben. Zu spüren ist dies vor allem an der Unmenge an Ideen, die in die ergonomische Ausgestaltung geflossen sind (abgesehen von dem Instrumente-Wirrwarr der scheinbar aus einem Flugzeug entnommenen Armaturen). Die Sitzposition ist exakt so gut, wie man das von einem GT aus den 60ern erwarten darf, und das Lenkrad – eine Eigenentwicklung von Lamborghini und keine zugekaufte Komponente – sitzt in einem wesentlich komfortableren Winkel auf der Säule als bei vielen Konkurrenzfahrzeugen.
Im Gegensatz zu späteren Lambos sind die Pedale nicht versetzt im Fußraum positioniert. Derlei Raffinesse erwartet man zunächst gar nicht. Im Fahrbetrieb offenbart der 350 GT keinerlei Mätzchen. Das Handling ist einfach und ungefährlich: Es genügt ein leichter Druck aufs Kupplungspedal. Auch die Lenkung reagiert, gemessen an ihrem Alter, präzise und nicht sonderlich schwergängig.
Selbst der Klang des V12-Motors ist bei gemütlicher Fahrt durch und durch kultiviert, während sich die Gänge des ZF-Getriebes mit minimalem Widerstand einlegen lassen. So schnell vergreist ein guter Schalthebel nicht. Sobald man es ein bisschen heftiger haben möchte, zeigt sich das zweite Gesicht des Lamborghini 350 GT. Gemessen an modernen Standards ist er nicht sonderlich schnell, aber sobald man Gas gibt, klingt er amtlich. Jenseits von 4000 Umdrehungen wird aus dem sanften Knurren des V12 ein echt mächtiges Gebrüll. Schlicht mitreißend. Diesen Wagen möchte man auf Langstrecken fahren – im Gegensatz zu so manchem Nachfolgemodell aus Sant’Agata.
Fahrgefühl und Technik – der 350 GT als Klassiker
Im Fahrbetrieb zeigt der Lamborghini 350 GT seine zwei Gesichter. Bei gemütlicher Fahrt beeindruckt der kultivierte Klang des V12, und die Bedienung ist erstaunlich unkompliziert. Die Lenkung ist präzise, die Pedale optimal platziert, und das Getriebe lässt sich leicht schalten – anders als bei vielen anderen Sportwagen der 60er-Jahre. Sobald man jedoch die Drehzahl erhöht, zeigt sich der wahre Charakter des Motors: Ein mächtiges Gebrüll ersetzt das sanfte Knurren und lässt erahnen, welches Potenzial in diesem Wagen steckt. Die Kombination aus Komfort und roher Kraft macht den 350 GT zu einem idealen Langstreckenfahrzeug.
Mit insgesamt 120 produzierten Fahrzeugen gehört der Lamborghini 350 GT zu den seltenen Schätzen der Automobilgeschichte. Diese Exklusivität machte ihn schnell zum Favoriten wohlhabender Käufer, die sich einen einzigartigen Sportwagen mit dem gewissen Etwas wünschten. Das Fahrzeug wurde 1964 auf dem Genfer Autosalon präsentiert, wo eines der ersten produzierten Exemplare vorgestellt wurde. Mit der Fahrgestellnummer 101 gilt dieses Fahrzeug heute als eines der ältesten noch existierenden Serienmodelle.
Bedeutung für die Marke und den Markt
Der 350 GT war mehr als nur ein Auto – er war ein Statement. Ferruccio Lamborghini zeigte damit, dass sein Unternehmen in der Lage war, auf Augenhöhe mit Ferrari zu konkurrieren. Der 350 GT bewies, dass Lamborghini nicht nur Traktoren bauen konnte, sondern auch leistungsstarke, luxuriöse Sportwagen, die in Sachen Technik und Design Maßstäbe setzten. Der Erfolg dieses Modells legte den Grundstein für die zukünftigen Erfolge der Marke, die sich mit Modellen wie dem Miura, Countach und später dem Diablo unsterblich machen sollte.
Technische Daten im Überblick
Parameter | Lamborghini 350 GT |
---|---|
Produktionszeitraum | 1964 – 1966 |
Motor | 3,5-Liter-V12 |
Leistung | 280 PS bei 6.500 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | über 250 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) | ca. 6,8 Sekunden |
Getriebe | 5-Gang-Schaltgetriebe |
Gewicht | ca. 1.290 kg |
Karosserie | Aluminium von Touring |
Fahrwerk | Unabhängige Federung |
7 interessante Fakten zum Lamborghini 350 GT
1. Der erste Serien-Lamborghini
Der 350 GT war das erste in Serie produzierte Fahrzeug von Lamborghini und markierte den Beginn der V12-Tradition, die Lamborghini bis heute weiterführt. Er wurde zwischen 1964 und 1966 in einer Stückzahl von insgesamt 120 Fahrzeugen produziert.
2. Premiere auf dem Genfer Autosalon 1964
Der Prototyp 350 GTV wurde im Oktober 1963 auf der Turiner Automesse präsentiert. Dies war der erste Schritt, um die Welt auf die neue Marke Lamborghini aufmerksam zu machen. Der Serien-350 GT wurde dann im März 1964 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt und war einer der Hingucker auf der Messe.
3. Motor von Giotto Bizzarrini entwickelt
Der V12-Motor des 350 GT wurde von Giotto Bizzarrini entwickelt, einem der bekanntesten Motorenkonstrukteure seiner Zeit. Der Motor mit 3,5 Litern Hubraum und vier obenliegenden Nockenwellen leistete beeindruckende 280 PS und wurde später auch in anderen ikonischen Lamborghini-Modellen eingesetzt.
4. Karosserie von Carrozzeria Touring
Die Karosserie des 350 GT wurde vom Mailänder Unternehmen Carrozzeria Touring entworfen und hergestellt. Sie nutzte die Superleggera-Technik, bei der ein leichter Aluminiumaufbau auf einen Stahlrohrrahmen montiert wurde, was das Fahrzeug leicht und dennoch stabil machte.
5. Eines der ältesten erhaltenen Fahrzeuge
Der Lamborghini 350 GT mit der Fahrgestellnummer 101, der 1964 in Genf ausgestellt wurde, gilt heute als eines der ältesten noch existierenden Serienfahrzeuge der Marke. Das Fahrzeug in der Farbe „Verde Ginevra Metallizzato“ ist ein Symbol für den Beginn der Lamborghini-Supercar-Ära.
6. Technische Raffinessen für die Zeit
Im Gegensatz zu späteren Modellen von Lamborghini waren die Pedale des 350 GT nicht versetzt, was das Fahren angenehmer machte. Zudem war das Handling für ein Auto der 1960er Jahre besonders präzise und komfortabel, was den 350 GT zu einem beliebten Grand Tourer für lange Fahrten machte.
7. Restaurierung durch Polo Storico
Lamborghini bietet heute durch Polo Storico eine umfassende Unterstützung für die Restaurierung historischer Modelle wie des 350 GT an. Die Verfügbarkeit vieler originaler Bauteile und das erhaltene Know-how machen es möglich, diesen Klassiker in seiner ursprünglichen Pracht zu bewahren.