Klassiker

Grün, geil – Camaro!

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Selbst in seinem Heimatland USA gilt dieser kaum gefahrene Highperformance-Camaro als Rarität, erst recht in England. Und außerdem zählen damals wie heute namhafte Racer zu seinen Eignern.

Als ich die englische Rennfahrerin, Journalistin und Rundfunkmoderatorin Amanda Stretton frage, warum sie ihren makellosen 1968er-Chevrolet Camaro Z/28 gekauft hat, antwortet sie schlicht »Ich fahre gerne schnell« und erklärt: »Mein Vater Terry Cohn besaß eine Menge toller Autos, einen Alfa Romeo 8C ‚Monza‘ und dergleichen. Kurz vor seinem Tod kaufte er einen der seltenen Hertz Mustang GT350 H. Es war sein einziges Auto, das ich wirklich haben wollte, weil es so ein‚F*ck off‘-Gerät war. Ich fand ihn richtig, richtig cool.«

Okay, aber was geschah mit dem Mustang? »Nach Dads Tod wollten die Nachlassverwalter ihn mir nur überlassen, wenn ich mehr als den Marktpreis bezahle. Nur konnte ich mir keinen GT350 leisten und ich dachte, wenn ich einen kaufe, halten ihn sowieso alle für eine Replika. Während ich noch darüber nachdachte, entdeckte mein Freund Simon Drabble diesen Camaro oben in Barrow-in-Furness an der Irischen See. Ich dachte ‚Oh, der ist perfekt!‘ und kaufte ihn.«

Ein Camaro Z/28 in diesem Zustand ist selbst in den Staaten nur noch selten zu finden.

Der Fund erwies sich als Glückstreffer: ein sehr originaler Z/28 mit geringer Laufleistung. Chevrolet baute 1968 nur 7199 dieser heißen Versionen und deren Überlebensrate liegt im niedrigen Hunderterbereich. Der Camaro kam 1967 als Her- ausforderer des Ford Mustang auf den Markt. Von den Performance-Versionen RS, SS und Z/28 bildete letztere die Speerspitze. Dennoch lief der Z/28 weitgehend unter dem Radar und tauchte nicht einmal in der Werbebroschüre von 1968 auf, während der RS (Rally Sport) und der SS (Super Sport) sehr prominent darin vertreten waren.

Der Grund für diese Zurückhaltung dürfte in der Zielgruppe gelegen haben: GM peilte mit dem Z/28 speziell die Rennsportszene an. Der kleinste der angebotenen V8-Motoren begnügte sich mit 302 ci, also 4,95 Liter Hubraum. Durch die Kombination einer 283er-Kurbelwelle mit einem 327er-Block blieb diese Version innerhalb der Hubraumbegrenzung von 305 ci des Sports Car Club of America. Die offizielle Leistungsangabe lautete 290 PS, Gerüchten zufolge sollten eher 360 PS zutreffen. Beim offiziellen Drehmoment von 393 Nm dürfte die Wahrheit näher bei 450 Nm liegen. Amanda Stretton erwischte einen solchen 302er, passenderweise in British Racing Green lackiert – und das, obwohl er als Neuwagen in den USA lief und erst in den frühen 1970er-Jahren nach Großbritannien kam.

Der 5,0-Liter-V8 leistet offiziell 290 PS, die tatsächliche Leistung liegt wohl eher bei 360 PS.

Die US-Historie des Z/28 ist unbekannt, sein Lebenslauf in Großbritannien dafür makellos dokumentiert. Camaro und Rennsport – bei diesem Begriffspaar fällt in Großbritannien sofort der Name Stuart Graham. Er ist bis heute der Einzige, der ein TT-Rennen sowohl auf zwei als auch vier Rädern gewonnen hat. In den 1960er-Jahren fuhr er äußerst erfolgreich Motorradrennen, stieg dann auf Autos um und wiederholte seinen Erfolg Mitte der 1970er bei den Tourenwagen der seriennahen Gruppe 1 – mit einem Camaro. Graham war derjenige, der Camaros im britischen Rennsport populär machte. Er gewann 1974 und 1975 die große Hubraumklasse und wurde jeweils Dritter in der Gesamtwertung. Später erzielte er mit einem Ford Capri 3.0 ähnliche Erfolge. Und wie es der Zufall will, war es niemand anders als Stuart Graham, der Strettons Camaro in England fast noch als Neuwagen erwarb, bald wieder verkaufte und ihn einige Jahre später zurückkaufte.

Wobei eigentlich Stuarts Bruder Chris Graham die größere Rolle spielte. Beide hatten eine Ausbildung bei Rolls-Royce absolviert. Stuart verließ die Firma, um Motorradrennen zu fahren, Chris arbeitete in Crewe als Motorenbauer. 1968 fanden sie wieder zusammen, als Stuart sich aus dem Motorradrenn- sport zurückzog und gemeinsam mit Chris eine kleine Werkstatt im ländlichen Shropshire kaufte. Chris Graham liebte V8-Motoren, und so kam es, dass sie sich auf Kauf und Verkauf amerikanischer Autos verlegten.

Der Chic der späten 1960er-Jahre – wild und frei und rassig. So muss ein Muscle Car aussehen.

Zeitsprung in den Juni 2018: »Amanda rief mich an und sagte, sie habe diesen Camaro entdeckt«, berichtet Stuart Graham. »Als Chris ihn sich anschaute, stellte er fest, dass wir dieses Auto in den frühen 70er-Jahren an jemand aus der Gegend verkauft hatten. Er behielt es jahrelang, bis wir es von ihm zurückkauften.« Chris Graham erzählt noch ein paar Details: »Der damalige Käufer hieß George Sumner und betrieb das Swan Inn in Marbury in der Nähe von Whitchurch. Das war im Januar 1974. Er fuhr den Camaro nicht oft – er mochte ihn einfach und ließ ihn meist abgedeckt stehen. Wir kauften ihn im September 1986 zurück.«

Leider war er unter der Abdeckplane feucht geworden und der Lack hatte Mikroblasen bekommen. »Wir verkauften ihn an Eric Price, einen ehemaligen Rolls-Royce-Lackierer. Er zerlegte den Camaro und versetzte ihn nur für sein eigenes Vergnügen wieder in einen neuwertigen Zustand. Wir kannten die Qualität seiner Arbeit, denn er hatte in den frühen 70ern unseren ersten Renn-Camaro in den Farben unseres Sponsors Brut 33 lackiert.«

Dieser Tourenwagen, den Stuart fuhr und für den Chris den Motor aufbaute, gehörte zur 1970 eingeführten zweiten Generation. Ihr Faible entstand eher zufällig: »Der Autozubehörhändler Les Leston fuhr in Silverstone einen Camaro, der nicht richtig lief. Stuart meinte, ich sollte ihn mir mal anschauen«, erinnert sich Chris Graham. »Ich habe ihn dann im Fahrerlager nach Gehör eingestellt, und Les war so begeistert, dass er das Auto anschließend bei uns vorbereiten ließ. Als er auf Geschäftsreise nach Hongkong musste, bat er Stuart, ihn bei einem Rennen in Oulton Park zu vertreten. Stuart stellte den Wagen auf die Pole-Position und gewann locker. An dem Tag beschlossen wir, dass wir unbedingt einen Camaro brauchten.«

Text Mark Dixon || Fotos Jonathan Fleetwood // Bearbeitung Johannes Schnettler

Lesen Sie in OCTANE #67, warum sich der heisse Camaro fast im unberührten Originalzustand befindet, obwohl er durch so viele Hände gegangen war.

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