Bristol auf freier Fahrt
Klassiker

Die Kunst des Andersseins – eine Hommage an Bristol

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Bristol war nie ein Hersteller für die breite Masse. Aber für jene, die sich bewusst gegen den Mainstream entscheiden. Neil Clifford gehört zu ihnen – er sammelt nicht nur seltene Modelle wie den 400 und den Fighter, sondern bewahrt auch das architektonische Erbe der Marke.

Der Ursprung: BMW-Pläne, ein Flugzeugwerk und ein Mann mit Vision

Die Wurzeln von Bristol Cars gehen zurück auf Frazer Nash, vor dem Zweiten Weltkrieg die bevorzugte Marke junger Männer, die Rennen fahren wollten. 1926 übernahm AFN Ltd unter Leitung von Harold J. Aldington die Marke. 1938 wurde AFN BMW-Importeur fürs gesamte britische Empire und verkaufte den großartigen 328er als Frazer Nash-BMW. Aldington war zugleich Direktor der Bristol Aeroplane Company, die in den Automobilbau einsteigen, aber nicht das Risiko einer Eigenentwicklung eingehen wollte.

Da Aldington wusste, wie gut die BMW-Modelle 326, 327 und 328 waren, nutzte er seine Kontakte zur Armee, um 1945 das zerbombte BMW-Werk in München zu besuchen, und kehrte mit »Kriegsreparationen« in Form aller Fertigungspläne für die BMW-Modelle zurück. An seiner Seite: Chefingenieur Dr. Fritz Fiedler, der die Aussicht auf ein Leben in England dem im sowjetischen Sektor vorzog. 1945 entstand Bristol Cars als Tochtergesellschaft des Flugzeugherstellers.

Der Bristol 400: Ein britischer Neustart mit deutschen Wurzeln

Das erste Modell stellte Bristol 1947 auf dem Genfer Salon vor. Der 400 war kein Sportwagen im eigentlichen Sinne: Es handelte sich um einen hochwertigen Viersitzer, der sportlich orientierte Fahrer ansprechen sollte. Er basierte fast komplett auf den BMW-Modellen der Vorkriegszeit: Fahrgestell auf Basis des 326, Motor des 328, eine Karosserie des 327. Während BMW wegen des Vorrangs der Rüstungsindustrie nicht immer das beste Material verwenden konnte, brachte Bristol jetzt modernstes Know-how ein, speziell in der Metallurgie.

Der Bristol 400 erwies sich als das erfolgreichste Modell der Marke im Motorsport, siegte bei der Rallye Polen 1948 und fuhr einige Monate später bei der Rallye Monte Carlo auf Platz drei. Bei der Mille Miglia 1948 belegte ein 400er, gefahren von Graf Johnny Lurani und H. J. Aldington, den zweiten Platz in der Klasse über 1100 ccm und den dritten im Gesamtklassement.

Detailansicht eines Bristol-Armaturenbretts mit Holzverkleidung

Vom Dienstwagen zur Rallye-Legende: Neil Cliffords Bristol 400

Neil Clifford, CEO eines Luxus-Modehauses und bekennender Bristol-Enthusiast, sammelt nicht nur Fahrzeuge – er bewahrt Markengeschichte. „Ich habe den 400 vor ein paar Jahren gekauft. Als erster Bristol überhaupt passt er perfekt zum Fighter als letztem Modell, das Bristol gebaut hat“. Der Wagen sollte eigentlich zusammen mit seiner Tochter, die seine Leidenschaft für klassische Fahrzeuge teilt, bei der Mille Miglia starten – doch die Pandemie verhinderte die Teilnahme.

Cliffords 400 ist ein Serie-2-Modell mit einigen praktischen Verbesserungen für den Rallyeeinsatz: „Er verfügt über eine Heizung, eine zu öffnende Heckscheibe zur Belüftung und das Reserverad auf dem Kofferraumdeckel – das ist alles sehr nützlich.“ Der Wagen ist im originalen Jadegrün lackiert und blickt auf eine lückenlos dokumentierte Historie zurück: In 75 Jahren hatte er 14 Besitzer und absolvierte beinahe eine halbe Million Kilometer. Ausgeliefert wurde er einst an die Bristol Aeroplane Company – Chef-Testpilot Cyril Unwin nutzte ihn als Dienstwagen. Später ließ Clifford den Wagen vom Spezialisten Spencer Lane-Jones restaurieren und dezent für Rallyes vorbereiten: Der Originalmotor mit drei Solex-Vergasern blieb erhalten, ergänzt wurden ein Getriebe mit Overdrive, Sicherheitsgurte, verbesserte Beleuchtung, ein elektrischer Kühlerlüfter und klassische Rallye-Uhren.

Der erste Bristol der Geschichte: Mechanische Präzision im Maßanzug

Der erste Bristol ist ein charmantes Coupé, das nicht die flache Eleganz eines BMW 327 mit Autenrieth-Karosserie bietet, dafür aber durch britische Eigenständigkeit überzeugt. Ein Hauch von Understatement, etwas altmodisch vielleicht – aber mit Charakter. Hinter den gegenläufig öffnenden Türen wartet ein enger Innenraum mit niedriger Sitzposition. Das holzverkleidete Armaturenbrett trägt verstreut angeordnete Smiths-Instrumente, ergänzt durch moderne Rallye-Timer. Am großen Dreispeichenlenkrad befinden sich klassische Bedienelemente wie Choke und Handgas. Der Zweiliter-Reihensechszylinder startet per Knopfdruck – seine ausgeklügelte Ventilsteuerung über gekreuzte Stoßstangen sorgt für einen ruhigen Lauf ohne Vibrationen.

Die Kupplung wirkt erstaunlich leicht, ihr Weg ist jedoch kurz und präzise. Der Schalthebel lässt sich sauber führen, das Gaspedal spricht dank der drei Solex-Vergaser sehr direkt an. Schon nach wenigen Metern wird klar: Trotz seiner knapp 1.120 Kilogramm fühlt sich der 400er leichtfüßig und agil an. Auf schmalen Landstraßen spielt er seine Stärken aus – die Drehstabfederung gleicht Fahrbahnunebenheiten souverän aus, der Motor wirkt kraftvoller als die nominellen 85 PS vermuten lassen. Besonders das nachgerüstete Getriebe mit Overdrive macht jede Fahrt zu einem mechanischen Erlebnis.

Ein Kraftakt mit Charakter: Bristols radikalster Wurf

Nach der klassischen Zurückhaltung des 400 kam der nächste große Wurf aus Filton mit einem Knall. Der Fighter war ein Bruch mit der Tradition – ein Supersportwagen mit V10-Triebwerk, Flügeltüren und einer klaren Ansage: Bristol wollte nicht mehr nur souverän, sondern kompromisslos schnell sein. Entwickelt unter der Regie eines neuen Managements und konstruiert mit Hilfe von Formel-1-Know-how, brachte der Fighter alles mit, was einen ernstzunehmenden Sportwagen ausmacht – Leichtbau, beeindruckende Leistung, ein Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,28. Und doch blieb er eigenwillig: Das Design unverwechselbar, die Ergonomie britisch-pragmatisch und der Innenraum hoch genug, um mit Hut zu fahren. Für Puristen war das zu viel Fortschritt, für Liebhaber technischer Exzentrik ein faszinierender Endpunkt – und zugleich ein stiller Abschied von einer Ära, in der Bristol noch eigene Wege ging, ohne nach Applaus zu fragen.

Der Anfang und das Ende – vereint in einer Sammlung

Für Neil Clifford gehören sie untrennbar zusammen: der erste Bristol 400 und das letzte Serienmodell der Marke. Als erstes und letztes je gebautes Bristol-Modell bilden sie zwei Pole einer außergewöhnlichen Geschichte – das eine ein Stück britischer Nachkriegs-Eleganz, das andere ein kompromissloser Technologieträger. „Einen Sieger gibt es in diesem Vergleich natürlich nicht“, sagt Clifford – und doch spürt man, wie viel ihm diese Verbindung bedeutet. Beim großen Ausverkauf im August 2020 ersteigerte er auch das ikonische Leuchtschild des früheren Bristol-Showrooms in Kensington. „Ich konnte nicht anders, als für die Leuchtreklame zu bieten. Sie sah schlimm aus, aber ich habe sie top restaurieren lassen – war teurer als der Kaufpreis“, erzählt er. Heute hängt das Schild über seiner Halle – und tut, was es früher tat: „Ich habe es sogar so verkabelt, dass es fehlerhaft leuchten kann wie damals, als ich nur ›BISTO ARS‹ las.“

Der leise Abschied einer eigenwilligen Marke

Das Ende von Bristol Cars kam nicht über Nacht, sondern war ein schleichender Rückzug aus der Öffentlichkeit – so diskret, wie die Marke stets auftrat. Nach Jahrzehnten ohne Marketing, ohne Werbung und ohne Händlernetz konnte selbst die Faszination loyaler Enthusiasten den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufhalten. Die Produktionszahlen sanken, die Modelle wurden exklusiver – und zugleich immer seltener gesehen. 2011 meldete das Unternehmen Insolvenz an, es folgten Übernahmen, Ankündigungen und schließlich: Stille. Im Sommer 2020 wurde alles, was noch übrig war – Fahrzeuge, Werkzeuge, Ersatzteile und Erinnerungsstücke – versteigert. Damit endete ein Kapitel britischer Automobilgeschichte, das nie laut war, aber bis heute nachhallt.


10 spannende Fakten über die Alpine A110

  1. Bristol stammt ursprünglich aus der Luftfahrt – die Bristol Aeroplane Company baute im Zweiten Weltkrieg Kampfflugzeuge wie die Beaufighter.
  2. Das typische Bristol-Logo zeigt zwei geflügelte Pferde, inspiriert vom Stadtwappen der Stadt Bristol – ein letzter Gruß an die Luftfahrt.
  3. Der erste Bristol 400 basierte auf BMW-Technik, die nach dem Krieg als Kriegsreparation übernommen wurde.
  4. Bristol betrieb über Jahrzehnte nur ein einziges Autohaus, in Kensington High Street, London – ohne Schaufenster, ohne Werbung.
  5. Alle Bristol-Modelle wurden in Handarbeit gefertigt, oft in Kleinstserien – mit liebevollem Fokus auf technische Details.
  6. Interessenten mussten sich bewerben – der Kauf eines Bristols war kein normaler Vorgang, sondern eine Art Auswahlverfahren.
  7. Die Motoren stammten ab den 1960ern meist von Chrysler, insbesondere großvolumige V8-Triebwerke aus den USA.
  8. Der Bristol Fighter hatte Flügeltüren – ein Novum in der Markengeschichte und ein deutliches Zeichen für den Richtungswechsel.
  9. Bristol fuhr große Erfolge im Motorsport ein, vor allem mit dem 400, etwa bei der Rallye Monte Carlo oder der Mille Miglia 1948.
  10. Ein Bristol war immer teurer als ein Rolls-Royce, was das Selbstverständnis der Marke gut beschreibt.
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