Text John Simister // Fotos Paul Harmer
ER IST WINZIG, RAUFLUSTIG, BEKANNT ALS POTENZIELLER GIGANTEN-KILLER. JETZT BEKOMMT DER AUSTIN A35 EINE EIGENE RENNSERIE. OCTANE MACHTE SCHON EINMAL DEN SHAKEDOWN
Also wenn das nicht brillant ist. Ich bin Rae Davis, Tony Jardine oder ein anderer wackerer Gladiator in der St. Mary’s Trophy in Goodwood und lasse mit meinem Austin A35 all die Giganten über die Klinge springen – in einem Stil, wie ihn selbst Austin-Designer Dick Burzi kaum im Sinn hatte, als er das rundliche Auto auf dem Zeichenbrett entsonnen hat. Im Original war der A35 höher als breit. Doch dieser kauert tief über dem Asphalt. Die Vorstellung ist angenehm, aber flüchtig. Die Fantasie ist angenehm, aber flüchtig. Denn es ist Dezember, die Strecke ist feucht – und ich bin nicht in einem Rennen, sondern bei einem Trackday.
Außerdem entspricht mein A35 nicht dem ganzen St-Mary’s-Paket, obwohl er in den Historic-Racing-Driver’s-Club-Rennen All Stars und Touring Greats starten wird. Ein Anwärter auf den Gesamtsieg dürfte er nicht sein. Wen stört das, denn der britische Winzling wird in der dafür erschaffenen HRDC Academy starten – einer Klasse für den Einstieg in den klassischen Motorsport. Die Idee dahinter: Interessenten kaufen sich einen A35 und verwandeln ihn mit einem Umbau-Kit von der Stange in einen Renntourenwagen. Die Gesamtkosten hierfür liegen bei rund 20.000 Euro – günstig genug, dass es irgendwann eine eigene Rennserie geben dürfte.
Julius Thurgood, Gründer der HRDC Academy: »Es geht darum, dass man das Auto in der eigenen Werkstatt umbaut«, erklärt er sein Konzept. »Ich habe zwei oder drei A35 bei eBay gekauft, um herauszufinden ob das klappt – tut es! Einen A35 kriegt man da für 3.000 bis 5.000 Euro – und dabei handelt es sich um gute, solide restaurierte Autos. Man kriegt auch umgerüstete Autos und so ist für jeden etwas dabei, je nachdem, wie es um die Schrauber-Fähigeiten und den Geldbeutel steht.«
DER AUSTIN A35 IST DAS IDEALE AUTO FÜR DIESE AUFGABE
Ist der A35 umgebaut, wird er vom HRDC inspiziert und erhält anschließend eine zweite Fahrgestellnummer. Wegen Motorenumbau oder korrekter Spezifikation muss sich daher keiner den Kopf zerbrechen – denn alle Motoren werden von Paul Adams bei Classic and Modern Engine Services in Bracknell aufgebaut und anschließend versiegelt. »Darryl Davis von Moto-Build ist einer der wesentlichen Partner dieses Projekts«, erläutert Julius. »Mit ihm habe ich die Spezifikationen entwickelt und dann folgte der Entwicklungsprozess.«
Der war noch bei Weitem nicht abgeschlossen, als ich vergangenes Jahr kurz vor Weihnachten erstmals in Goodwood Bekanntschaft mit einem Academy-Fahrzeug machen durfte. Eindeutig: der A35 ist das ideale Auto für diese Aufgabe. Er ist klein und schnuckelig, ungemein günstig und verwendet bekannte BMC-Teile, hat – für natürliche Drifts einen Riesenvorteil. Schließlich hat sich der Hinterradantrieb damals wie heute im Rennsport einen guten Namen gemacht. Doch wie gut funktioniert die Academy-Spezifikation? Genau das will ich nun herausfinden.
Der A35-Prototyp in Speedwell Blue/Old English White ist noch nie gefahren worden. Es gibt jede Menge zu beweisen. Die Federhärte vorne beträgt satte 600lbs/inch, zur Stabilisierung wurde eine Dreiviertelzoll starke Querstrebe verbaut, während der Hinterachse ein Panhardstab spendiert wurde, um die Spursicherheit bei Querbelastungen zu verbessern.
Die Dämpfer sind immer noch Hebelarm-Dämpfer, aber mit einer um 30 % erhöhten Widerstandskraft. Bremsscheiben vorn und hydraulische Trommel-bremsen hinten ersetzen das gruselige Original-Bremssystem des A35, bei dem ein zentraler Bremszylinder mechanische Verbindungen zu den Rädern betätigte. Als Räder kommen mit 4.50×13- Dunlop-CR65-Renn-Diagonalreifen bestückte Minilites zum Einsatz. Das Abenteuer beginnt, als ich in den Rennsitz geschnallt werde, der so tief angebracht ist, dass ich kaum noch durch die Frontluke sehen kann. Ich ziehe den originalen Starterhebel und der A-Serie-Motor erwacht freudig zum Leben. Erster Gang rein, und ab geht die Post!
Der Motor ist zwar winzig, aber ein lebhaftes Aggregat. Der gesamte Antriebsstrang ist absolut gelungen. Jetzt die erste und schnellste Kurve, mit einer Doppel-Scheitelpunkt-Ideallinie. Nicht vergessen, dass die Strecke nass ist und die Reifen noch nicht auf Temperatur. Ich lenke ein, über das Spiel der Lenkung hinaus – und plötzlich geht am Heck die Post ab, als befinde sich Eis unter den Hinterrädern.
Also besser die Lenkung wieder öffnen und dann den Balance-Punk finden. Ich lasse das Gas langsam kommen, um herauszufinden, wie viel Drift der A35 gern hätte, um optimal durch die Kurve zu kommen, schon sind wir durch. Der Austin erweist sich immer mehr als verspieltes kleines Auto. In der St. Mary’s and Lavant Corner wird die Lenkung beunruhigend leicht und es ist nicht mehr möglich zu fühlen, was an den Vorderrädern passiert. Noch nie bin ich so erbärmlich aus der Goodwood-Schikane herausgekommen.
MEIN UNBEHAGEN WIRD NICHT ZULETZT DAVON VERURSACHT, DASS SICH DAS AUTO IN SEINEM ROHZUSTAND BEFINDET
Da verwandelt sich eine leichte Rutschneigung plötzlich in eine ausgewachsene Schlitterpartie. Die um ein paar Blätter reduzierten Standardfedern im Heck wurden durch steifere ersetzt. So wie es aussieht, waren die Federn hier zu weich, obwohl ständiges Ausbrechen an sich ein Hinweis auf extreme Härte ist. »Wir haben versucht, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten«, sagt Julius. Mittlerweile, wenn Sie sich diese Zeilen zu Gemüte führen, dürften die Probleme des A35 aussortiert sein und weitere Fahrzeuge startklar sein.
Womit wir schon eine ganz nette A35-Bande parat hätten. Mit leicht gestreckten Heckbögen, Leichtbau-Stoßstangen aus Glasfaser – und vielleicht auch noch einem grimmigeren Gesicht, bei dem der Original-Grill durch etwas böser Aussehendes ersetzt wurde. Die Autos dürften großartig aussehen. Nach ein paar Runden hatte ich mich eingewöhnt und muss sagen: der A35 macht wirklich ganz schön Laune. Na – auf den Geschmack gekommen?