Text Gabriele Spangenberg, Berthold Dörrich
Was fängt man mit der Winterpause nur an? Wenn auf der Ideallinie zwischen Herd und Kühlschrank keine Rennatmosphäre aufkommen will, dann bleibt wohl nur die Radikalkur: auf zu Nassau Speedweek Revival auf den Bahamas!
//Lieber Berthold,
Hilfe. Ich habe Midyearcrisis! Ist es wirklich schon Anfang Oktober? Bin ich wirklich nur eine gefühlte halbe Stunde Auto gefahren in dieser Saison und der Winter steht schon vor der Tür? Geht es nur mir so oder hast Du auch das Gefühl, nicht lange genug hinter Deinem Vorkriegsvolant gesessen zu haben? Jetzt haben wir noch den Oktober vor uns (golden, wie Du versprochen hast) und für einige, ohne das Saison-Kennzeichen, noch den halben November. Da bleibt nicht viel Zeit, um unsere Autos zu bewegen.
Natürlich gibt es eine Menge an Winterveranstaltungen, die von Hartgesottenen sogar in Vorkriegskutschen bestritten werden, aber let’s face it, die meisten Autos sind für den Winter zu schade. Die Saison neigt sich dem Ende zu und wir müssen etwas tun! Soll ich die Sofas aus dem Wohnzimmer werfen und einen Fahrsimulator oder eine Playstation einbauen?
Sollen wir eine Drift- Akademie in den großen Städten einrichten, mit Hilfe der Bürgermeister und der Polizei? Soll ich eine Schnupperlehre bei einer Werkstatt machen und Meister und Gesellen zur Verzweiflung treiben? Soll ich die Ideallinie zwischen Kühlschrank und Herd markieren und die Zeiten stoppen? Soll ich mein Bett direkt in die Garage stellen, damit ich wenigstens nachts den küstlichen Benzinduft atmen kann?
Sollen wir den Zaun, der die Nordschleife im Winter und in der Nacht drin, uns aber alle draußen hält, niederreißen und Massen-Race-Meuterei begehen? Sollen wir den BMW des Nachbarn klauen und auf dem Ikea-Parkplatz ein bisschen Handbremskreiseln? Soll ich unseren Garten in einen Mini-Offroad-Park für Schneepflüge verwandeln? (Sag einfach ja und gib mir zugleich die Nummer eines guten Scheidungsanwaltes.) Lach nicht! Und bitte: Komm mir jetzt nicht mit einem Auto-Quartett, einer Carrera-Bahn oder den vielen Regularity Winter Rallyes. Bitte hilf. Nicht nur mir. Oder? //
//Liebe Gabriele,
da komme ich gerade hoch euphorisiert von einigen der schönsten spätsommerlichen Klassiker-Veranstaltungen zurück – und Du schickst mich mit Deinen Gedanken in den tiefsten Winter-Blues! Stößt mich in ein Stimmungsloch, tiefer als die Grube meiner noch immer nicht vorhandenen Garage! Dabei sind die kommenden Wintermonate doch für Klassiker-Fans eine ganz herrliche Zeit!
Darf ich Dir ein paar wirklich praktische Ideen ans Herz legen? Endlich Zeit für ausgedehntes Kleinanzeigenstudium. Irgendwas Neues muss im Frühjahr ja in der Garage stehen, oder? Wir sollten uns allerdings darauf vorbereiten, dass uns umgehend die Enterbung droht. Und unseren Kindern besser eine solide Ausbildung anstelle eines teuren Studiums vorschlagen, denn ob sich Garagengold wirklich als solide Wertanlage eignet, ist noch nicht endgültig entschieden.
Oder wie wär’s mit einem nützlichen Volkshochschulkurs? Beginnen wir vielleicht mit der Veranstaltung »Grundrechenarten für Rallye- Beifahrer(innen)«. Lektion 1: »Fehlerfreies Rückwärtszählen von zehn bis null«. Immer wieder großes Kino! Oder noch besser »Grundlagen der Orientierung im Rallye-Fahrzeug«. Hier ist die größte Herausforderung für die ambitionierte Beifahrerin fast philosophischer Natur: Wir entdecken den kategorischen Unterschied zwischen links und rechts unter besonderer Beachtung der Möglichkeit, besser doch geradeaus zu fahren. O. K., noch nicht auf Kant’schem Niveau, aber dafür von höchster praktischer Relevanz, sobald die Sonne wieder ins Rallye-Cockpit scheint.
Wenn Dich das alles kaltlässt und selbst auf der Ideallinie zwischen Herd und Kühlschank keine Rennatmosphäre aufkommen will, dann bleibt wohl nur die Radikalkur: auf zum Nassau Speedweek Revival auf den Bahamas! In der Regularity-Klasse fährt da Anfang Dezember nur das Wetter (Sonne!). Ansonsten kann man fröhlich Gas geben. Formel Junior, Austin-Healeys und die klassischen Minis fahren sogar nach Rennmodus. Was uns zurückbringt zum Thema Kleinanzeigenstudium: Wolltest Du Dir nicht ohnehin einen alten Cooper S zulegen?
Wie geht es Ihnen, liebe Leser? Finden Sie nicht auch, dass gerade die Wintermonate eine ganz runde Sache für uns Klassik-Verrückte sein können? Und wie bekämpfen Sie den Winter-Blues? Schreiben Sie uns – wir freuen uns auf viele praktische Ideen von Ihnen! ////
Roadbook: Die unterhaltsame Brieffreundschaft zwischen Gabriele Spangenberg (Presenting Editor) und Berthold Dörrich (Chefredakteur), an der die beiden Klassiker-Liebhaber uns in jeder OCTANE-Ausgabe teilhaben lassen, lässt häufig tiefer blicken. Vor allem aber gibt der Briefaustausch jedes Mal aufs Neue Grund zum Schmunzeln. Einblicke in einen Alltag, welcher unsere beiden Brieffreunde regelmäßig vor neue (Klassiker-)Fragen stellt.