Der Lamborghini Miura gilt als der Geburtshelfer des modernen Supersportwagens. Mit seiner atemberaubenden Optik und seinem revolutionären Mittelmotor-Layout hat er in den 1960er Jahren die Automobilwelt auf den Kopf gestellt. Kein Auto seiner Zeit vereinte so viel Leidenschaft, Geschwindigkeit und Eleganz in einer derart verführerischen Hülle. Er war der Inbegriff italienischer Ingenieurskunst und weckte eine unstillbare Sehnsucht nach der ultimativen Fahrmaschine.
Ein Fahrzeug der Superlative
Nichts an diesem Auto liegt im Bereich des Gewöhnlichen. Als erster Supersportwagen kann er bis heute schockieren. Bei Lamborghini überschneiden sich Mythos und Realität, nicht zuletzt bei der unbedeutenden Frage, wie und warum die Automobilsparte des Traktorenbauers vor über 60 Jahren entstanden ist. Als der Miura auftauchte, lag ihre Gründung gerade erst drei Jahre zurück.
Ein Blick zurück auf das Lebenswerk Ferruccio Lamborghinis
Ferruccio Lamborghini war schon in den unmittelbaren Nachkriegsjahren auf den Geschmack des Autobaus gekommen. In einer kleinen Werkstatt in seinem Geburtsort Cento, einem Dorf nahe Bologna, baute er aus einem gebrauchten Fiat Topolino eine zweisitzige Barchetta und nahm damit im Juni 1948 an der Mille Miglia teil. Sein Rennen endete nach 700 Meilen, nachdem er in ein Restaurant gekracht war. Seine kleine Firma, die alte Militärfahrzeuge für landwirtschaftliche Zwecke umrüstete, prosperierte zügig.
Dies führte zur Gründung von Lamborghini Trattrici – ab Mitte der 1950er-Jahre einer der führenden Traktorenhersteller Italiens. Neue Herausforderungen suchend, begann Lamborghini nach einem Besuch in den USA, Heizungen und Klimageräte herzustellen. Als Pläne auch noch Helikopter zu bauen, an mangelnden Lizenzen scheiterten, wandte er sich Anfang der 1960er-Jahren neben Traktoren erstmals Sportwagen zu.
Im Jahr 1962 bekam Ferruccio Giotto Bizzarrini den Auftrag zur Entwicklung eines 3,5-Liter-V12-Motors mit mindestens 350 PS für einen noch unbenannten Gran Turismo. Der Ex-Ferrari-Ingenieur hatte bereits einen Entwurf für einen 1,5-Liter großen Grand-Prix-Motor in der Schublade und entwickelte daraus in nur vier Monaten einen komplett aus Aluminium gegossenen Viernockenwellen-V12 mit 3,9 Liter Hubraum. Einziges Problem: Die Spitzenleistung lag erst bei 9000 U/min an – für einen Rennwagen okay, für einen Luxus-GT eher suboptimal. Es oblag dann Gian Paolo Dallara, einem weiteren ehemaligen Ferrari-Ingenieur, den Motor für den Einsatz im Straßenverkehr zu optimieren.
So entstand der erste Prototyp des Lamborghini
Der erste Prototyp des künftigen Sportwagens entstand im rund 25 Kilometer südlich von Bologna errichteten neuen Werk. Gezeichnet von Franco Scaglione, wurde daraus der 1963 auf dem Turiner Salon enthüllte 350 GT. Der erste, aber noch nicht finale Lamborghini erhielt gemischte Kritiken. Worauf Scagliones Entwurf von Touring aus Mailand überarbeitet wurde, um dann 1964 als 350 GTV in Serie zu gehen.
Premiere des Lamborghini Miura auf dem Genfer Salon – mit Karosserie, aber ohne Motor
Im Sommer 1965 führten Dallara, Paolo Stanzani (Leiter Entwicklung und Produktion) und der in Neuseeland geborene Cheftestfahrer Bob Wallace Ferrucio Lamborghini ein in Eigeninitiative aufgebautes »rolling chassis« für einen Sportwagen mit quer hinter dem Cockpit montiertem V12 vor. Sie fürchteten ein Donnerwetter, war doch der Chef kein Fan des Rennsports. Doch entgegen der Erwartung war Ferruccio begeistert und gab grünes Licht für die weitere Entwicklung. Damit nicht genug, stellte er im Herbst desselben Jahres das nackte Fahrgestell auf dem Turiner Salon aus – doch nur wenige der Fachbesucher räumten ihm ernsthafte Serienchancen ein.
Knapp fünf Monate später enthüllte Lamborghini auf dem Genfer Salon einen das Genre sprengenden Sportwagen – nun mit Karosse, aber noch ohne Motor. Denn zur Weltpremiere war noch nicht definiert, wie man den V12 im Heck unterbringen würde. In der Not füllte man den Motorraum mit Keramik-Platten und stellte sicher, dass besonders Journalisten dem Auto nicht zu sehr auf die Pelle rückten. Als Bezeichnung für den Show-Star wählte Lamborghini »Miura«, nach der gleichnamigen Familie, die seit 1849 im andalusischen Lora del Rio einige der wildesten Kampfstiere Spaniens züchtete.
Ein italienischer Exot mit Mittelmotor
Der noch von Giotto Bizzarrini konzipierte V12 wurde vom 350 GT übernommen, wobei wie beim Mini Motor und Getriebe aus der gleichen Ölwanne geschmiert wurden. Ein Gehäuse, in dem Kupplung, die Fünfgang-Box und ein ZF-Differenzial Platz fanden, wurde direkt an den Motor angeflanscht und zusammen mit dem Kurbelgehäuse des Motors gegossen. Ein Meisterwerk, ebenso wie die im Bereich des Innenraums als Monocoque ausgebildete selbsttragende Karosserie. Die Kraftübertragung von der Kurbelwelle zur Kupplung erfolgte über ein Stirnradgetriebe, das gleichzeitig als Schwungrad diente. Der Miura war nicht der erste italienische Exot mit Mittelmotor – diese Ehre gebührt dem allerdings nur zwölf Mal gebauten ATS 2500GT von 1963. Aber sowohl technisch wie künstlerisch hob Lamborghini mit dem Miura die Messlatte auf eine höhere Umlaufbahn.
Hohe Nachfrage auf das rolling chassis
Anfangs ging Lamborghini von maximal 50 Fahrzeugen aus, doch schon auf das »rolling chassis« hatten Kunden blind Bestellungen aufgegeben. Also hieß es, das hastig fertiggestellte Prunkstück so schnell wie möglich serientauglich zu machen. Im Dezember 1966 ging der erste Miura in Kundenhand, in drei Jahren verließen immerhin 275 Einheiten das Werk. Doch schon bald verlangten Kunden nach mehr Power.
Es wurden verschiedene Varianten des Lamborghini Miura gebaut
Mit der 1968 in Turin gezeigten S-Variante – zu erkennen an den verchromten Scheibenrahmen – wurde der Wunsch erfüllt. Die Befestigungspunkte der Aufhängung wurden so geändert, dass das Heck beim Beschleunigen nicht mehr so stark absackte, zugleich wurden die Streben des Plattformrahmens und die Antriebswellen verstärkt sowie die Leistung des V12 von 350 auf 370 PS erhöht. 338 S-Modelle fanden ihre Kunden.
Doch das große Finale stieg 1971, diesmal wieder in Genf, mit dem Miura SV. Dank geänderter Ventilsteuerzeiten und neuen Weber-Vergasern stieg die Leistung weiter auf 385 PS. Um dem Miura noch mehr Präsenz zu verschaffen, wuchs die hintere Spur um fast 13 Zentimeter. Unter größeren Radkästen fanden nun 9-Zoll-Felgen mit Pirelli Cinturato-Reifen im Format 215/70 R15 (vorn) und 255/60 R 15 (hinten) Platz. Die größten optischen Änderungen betrafen neue Rückleuchten und der Wegfall der »Wimpern« über den vom Fiat 850 Spyder stammenden Klappscheinwerfern.
Die stärkste Modikation fand jedoch unter der Haut statt. Die Probleme des quer eingebauten Motors waren nur allzu offensichtlich: Motor und Getriebe teilten sich wie erwähnt dasselbe Öl, und ein paar abgeschlagene Zähne an den Zahnrädern reichten in Verbindung mit heißer brauner Flüssigkeit oft aus, um den Miura zu einem teuren Schmuckstück zu machen. Bei den letzten 96 Exemplaren des bis 1972 in 150 Einheiten gebauten SV trennte Lamborghini daher Motor und Getriebe – womit das Gesamtvolumen ohne Einrechnung von Sondermodellen auf 763 Fahrzeuge stieg.
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10 spannende Fakten über den Lamborghini Miura
- In dem 1969 gedrehten Film »The Italian Job« jagt ein Miura P400 mit Rossano Brazzi am Steuer eine Passstraße hinauf, während Matt Monro »On Days Like These» singt und als zusätzliche Hintergrundmusik der V12 dröhnt. Eine Szene, die im Genre Autofilme Kultstatus erlangte.
- Der V12-Motor des Miura war quer zur Fahrtrichtung eingebaut, eine ungewöhnliche und komplexe technische Lösung, um Platz zu sparen.
- Beim Miura wurde ein ungewöhnliches System verwendet, bei dem Motor und Getriebe dasselbe Ölkreislaufsystem nutzten. Dies erwies sich jedoch als problematisch, da das Getriebeöl mit der Zeit verschmutzte.
- Die charakteristischen Augenbrauen-ähnlichen Lamellen um die Frontscheinwerfer des Miura sind eines seiner markantesten Designelemente.
- Zu den Besitzern eines Miura zählten Stars wie Frank Sinatra und der iranische Schah Mohammad Reza Pahlavi.
- Der Erfolg des Miura ebnete den Weg für den Lamborghini Countach, einen weiteren Supersportwagen, der die Automobilwelt revolutionierte.
- Heutzutage erreichen Miuras auf Auktionen oft Preise von über einer Million Euro, was ihn zu einem der begehrtesten Oldtimer macht.
- Der Erfolg des Miura setzte Ferrari unter Druck, ein ähnliches Mittelmotor-Layout für seinen eigenen Supersportwagen zu entwickeln, was schließlich im Ferrari 512 BB mündete.
- Der Miura SV war eines der ersten Serienfahrzeuge, das einen Heckspoiler zur Verbesserung der Aerodynamik und Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten einführte.
- Der Miura war in einer Vielzahl auffälliger Farben erhältlich, darunter das ikonische „Miura Orange“ und „Verde Miura“ (ein leuchtendes Grün), die heute zu den begehrtesten Farbvarianten zählen.
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