Dieser seltene Kombi mit Holzverkleidungen stammt aus dem Jahr 1938 – einer Zeit, in der Automobile noch handwerkliche Kunstwerke waren. Vor fast vier Jahrzehnten wurde der Wagen auf einer ländlichen Auktion entdeckt und seitdem unverändert bewahrt. Kein Hochglanzlack, keine Restaurierung, sondern authentische Patina und echtes Zeitzeugnis. Sein erster Besitzer war niemand Geringerer als Sir Malcolm Campbell, der legendäre britische Weltrekordfahrer, der in den 1930er-Jahren mehrfach Geschwindigkeitsrekorde aufstellte. Der Ford V8 „Woodie“ spiegelt damit nicht nur den Stil einer Epoche wider, sondern auch den Geist jener Männer, die Geschwindigkeit, Abenteuer und Individualität als Lebensgefühl verstanden.

Ein Ford-Motor zeigt Laufruhe wie ein Uhrwerk
In den 1980er-Jahren zeigte BMW in einem Werbespot, wie ruhig ein Motor laufen kann – eine Münze blieb aufrecht auf dem laufenden V12 stehen. Genau dieses Kunststück gelingt auch dem 1938er Ford V8 Deluxe Station Wagon von Robin Batchelor. Der Motor läuft so gleichmäßig, dass eine Münze auf dem Einlasskrümmer stehen bleibt – und das nach über acht Jahrzehnten ohne Restaurierung.
Der Wagen befindet sich noch immer im Originalzustand, der Achtzylinder wurde vermutlich nie geöffnet. Sein erster Besitzer war Sir Malcolm Campbell, der legendäre Geschwindigkeitsrekordfahrer, der das Auto als Begleitfahrzeug nutzte – auch 1938, als er auf dem Hallwiler See in der Schweiz mit über 210 km/h einen neuen Wasserrekord aufstellte. Jahrzehnte später erwarb Robin Batchelor den Wagen auf einer Auktion, ohne zu ahnen, welch berühmte Geschichte er damit in seine Garage stellte.
Die Farbe „Bluebird Blue“ verrät die Verbindung zu Sir Malcolm Campbell
Im Logbuch des 1938er Station Wagon ist die Lackierung mit „Bluebird Blue“ vermerkt – ein Name, der unmittelbar auf Sir Malcolm Campbell verweist. Inspiriert durch das Theaterstück The Blue Bird des belgischen Autors Maurice Maeterlinck taufte Campbell viele seiner Fahrzeuge und Rennboote auf diesen Namen. Auch der Farbton selbst wurde zu seinem Markenzeichen. Unter der inzwischen abgeblätterten grünen Lackierung ist das charakteristische Blau noch heute deutlich zu erkennen. Ebenso deutet das kurze Kennzeichen EXY 3 auf Campbells Besitz hin, denn historische Aufnahmen zeigen mehrere seiner Fahrzeuge mit ähnlichen Kennzeichen. Den endgültigen Beweis liefert ein Foto von 1938, aufgenommen am Hallwiler See: Es zeigt Campbells Lincoln-Zephyr, einen Studebaker – und in der Mitte eindeutig den Ford V8 Station Wagon mit dem Kennzeichen EXY 3. Damit war die Herkunft des »Woodie« zweifelsfrei belegt. Das originale vordere Nummernschild existiert bis heute, das hintere ging jedoch vor einigen Jahren auf einer Fahrt verloren – und wird bis heute vermisst.

Ein Leben zwischen alten Autos, Ballons und Abenteuern
Die Geschichte des Ford »Woodie« ist eng mit Robin Batchelor verbunden, einem britischen Abenteurer, Journalisten und professionellen Heißluftballonfahrer. Er entdeckte den Wagen 1986 auf einer Auktion in Herefordshire, ohne zu wissen, dass es sich um das frühere Begleitfahrzeug von Sir Malcolm Campbell handelte. Jahrzehntelang bewahrte Batchelor den Ford im unrestaurierten Originalzustand – aus Überzeugung, dass ein klassisches Automobil seine Geschichte tragen darf. Seine Faszination für alte Technik begann früh: Mit 19 Jahren reiste er in einem 1927er Humber 9/20 Tourer nach Istanbul, eine Erfahrung, die ihn prägte. Später flog er Heißluftballons über Afrika, unterrichtete Richard Branson, und war als Stuntpilot für Filmproduktionen im Einsatz. 2012 übergab er den »Woodie« an Jonathan Rishton, den Verleger des Magazins The Automobile, der den seltenen Kombi fachgerecht konservieren und behutsam erhalten ließ.
Der Ford V8: Ein Rückkehrer auf Achse und ein Stück transatlantische Autogeschichte
Nachdem der Ford neue Reifen erhalten hatte, nutzte Robin Batchelor ihn erneut aktiv und nahm mit dem Wagen am Vintage Revival in Montlhéry sowie an den VHRA-Rennen auf den Pendine Sands teil. Der „Woodie“ diente dabei nicht nur als Ausstellungsstück, sondern auch als praktischer Begleiter für Freunde und Ausrüstung. Neun Jahre später trennte sich The Automobile im Zuge eines Umzugs von Teilen seiner Fahrzeugsammlung – und der Ford kehrte zu Robin zurück, der ihn seitdem regelmäßig auf Veranstaltungen wie den Bicester Scrambles präsentiert. Die Geschichte dieses Kombis reicht dabei weit über Großbritannien hinaus: Während in England V8-Motoren aufgrund hoher Steuern selten waren, entstand die Holzkarosserie der „Woodies“ ursprünglich in den USA. Wahrscheinlich wurden die Bauteile im Ford-Werk Iron Mountain gefertigt und anschließend von der Murray Body Corporation in Detroit montiert, bevor sie über Kanada nach Europa gelangten.
Der Flathead-V8 wurde zum Herzstück amerikanischer Ingenieurskunst

Henry Ford verstand es wie kaum ein anderer, Fahrzeuge effizient zu produzieren und dabei auf Zuverlässigkeit zu setzen. Der 1932 eingeführte »Flathead«-V8 erfüllte beide Ziele und wurde zu einer technischen Ikone. Sein kompaktes Layout mit seitlich im Motorblock angeordneten Ventilen und flachen Zylinderköpfen machte ihn günstig herzustellen und robust im Betrieb. Der sogenannte »Ventilblockmotor« blieb über zwei Jahrzehnte im Einsatz – zunächst in den USA, später auch in Brasilien und Frankreich, wo er bis 1990 in Militärfahrzeugen lief. Besonders in der Hot-Rod-Szene der 1950er-Jahre erlangte der Flathead Kultstatus. Seine einfache Konstruktion mit Monoblock-Guss, zentraler Nockenwelle und ausgewuchteter Kurbelwelle sorgte für Laufruhe und Zuverlässigkeit. Erst mit steigenden Leistungsanforderungen zeigte sich seine Schwäche: Wärmeentwicklung zwischen den Zylindern und Rissbildung im Block, die Ford ab 1936 mit verbesserten Lagern in den Griff bekam.
Ein unrestaurierter Ford, der Geschichte und Lebensfreude verbindet
Robins Ford V8 »Woodie« ist ein Model 81A Deluxe Station Wagon von 1938 – ausgestattet mit einem 3,6-Liter-V8 mit 85 PS. Der Innenraum atmet Vorkriegsatmosphäre: braunes Bakelit, abgenutzte Ledersitze und hölzerne Türverkleidungen prägen das Bild. Drei Sitzreihen bieten Platz für bis zu acht Personen, die geteilte Heckklappe lässt sich weit öffnen und schafft einen erstaunlich großen Laderaum. Der Wagen zeigt Spuren seines Alters – kleine Dellen, Holzwurmlöcher, matte Oberflächen –, doch gerade diese Patina macht seinen Reiz aus. Auf der Straße wirkt der Ford ruhig und ausgeglichen, der V8 läuft kultiviert und kraftvoll. Er lädt zum Gleiten ein, nicht zum Rasen. Für Robin Batchelor ist er mehr als ein Fahrzeug: ein rollender Treffpunkt, der Gespräche, Geschichten und Freude auslöst.






Das ganze Portrait über den Ford V8 “Woodie” lesen Sie in OCTANE #79
10 spannende Fakten rund um den Ford V8 “Woodie”
- Der 1938er Ford V8 Deluxe Station Wagon war das letzte Ford-Modell mit komplett tragender Holzkarosserie, bevor ab 1939 verstärkt Stahlrahmen integriert wurden.
- Das verwendete Holz stammte überwiegend aus nordamerikanischem Ahorn und Birke, ausgewählt wegen seiner Stabilität und gleichmäßigen Maserung.
- Für die Fertigung einer einzigen Holzkarosserie benötigte Ford rund 250 Einzelteile, die in Handarbeit verschraubt und verleimt wurden.
- Die Karosserieteile wurden nach Fertigstellung mit Tungöl behandelt – demselben Öl, das Robin Batchelor später zur Konservierung nutzte.
- Viele Exemplare wurden nach dem Krieg zu „Beach Wagons“ umfunktioniert und von Surfern in Kalifornien genutzt – daher stammt der Begriff Surf Woodie.
- Der Wagen verfügte über eine mechanische Trommelbremsanlage an allen vier Rädern, die rein über Pedalkraft arbeitete.
- Die Höchstgeschwindigkeit des 85-PS-V8 lag bei rund 135 km/h, was für ein Fahrzeug mit Holzaufbau beachtlich war.
- Die dritte Sitzreihe war optional – Kunden konnten sie ab Werk gegen Aufpreis entfernen oder nachrüsten lassen.
- Jedes Exemplar wurde werksseitig mit einem individuellen Farbton des Schriftzugs und Kühlergrills ausgeliefert – Blau, Rot oder Elfenbeinweiß.
- Heute existieren weltweit schätzungsweise weniger als 100 originale, unrestaurierte Ford-Woodies aus dem Baujahr 1938.
Noch mehr Geschichten über Ford und andere Ikonen der Fahrzeuggeschichte finden Sie in diesen Ausgaben
-
Ausgabe 54 – Steve McQueen “LeMans”8,41€
zzgl. Versandkosten
-
Ausgabe 50 – Citroën SM8,41€
zzgl. Versandkosten
-
OCTANE Edition #08 – Super Sportwagen9,16€
zzgl. Versandkosten
-
Ausgabe 51 – Porsche 911 RSR8,41€
zzgl. Versandkosten
-
Ausgabe 71 – Ikone Steve McQueen8,41€
zzgl. Versandkosten
-
Ausgabe 59 – Ford GT 408,41€
zzgl. Versandkosten
Oder bestellen Sie sich OCTANE ganz bequem im Abo nach Hause

OCTANE Jahresabo – 6x OCTANE versandkostenfrei
Versandkostenfrei