Das bescheidene Markenlabel Fiat täuscht über den exotischen Ferrari-Rennmotor und die kurvenreiche Pininfarina-Karosserie hinweg. Riachard Heseltine hat es am Steuer erlebt.

Ein Motor als Ausgangspunkt: Ferraris Notlösung wird zur Kooperation mit Fiat
Eigentlich war der Dino nie als eigenständige Modellreihe geplant, sondern eine pragmatische Lösung für ein sehr spezielles Problem. Mitte der 1960er-Jahre stand Ferrari vor einer Herausforderung: Für die Formel-2-Saison 1967 wollte die Scuderia einen neuen Sechszylinder-Motor homologieren. Das Reglement schrieb maximal 1,6 Liter Hubraum und eine Serienbasis vor – das Triebwerk musste also auf einem Motor basieren, der auch in einem Straßenfahrzeug verwendet wurde. Zudem verlangte die FIA, dass innerhalb eines Jahres mindestens 500 Exemplare produziert werden.
Für eine kleine Manufaktur wie Ferrari, die damals kaum 700 Fahrzeuge pro Jahr baute – meist mit großvolumigen V12-Motoren – war das völlig unrealistisch. Enzo Ferrari brauchte einen Partner mit Produktionskapazität und industrieller Erfahrung. Und den fand er im Turiner Konzern Fiat, der schon früher diskret hinter den Kulissen geholfen hatte.
Am 1. März 1965 kam es zu einem historischen Treffen: Gianni Agnelli, der frisch ernannte Fiat-Präsident, Enzo Ferrari, Geschäftsführer Vittorio Valletta und Generaldirektor Vincenzo Bono setzten sich an einen Tisch. Über den genauen Verlauf ist nichts überliefert, aber das Ergebnis war richtungsweisend: Fiat würde den Bau des neuen Motors übernehmen und ihn in ein eigenes Modell integrieren. Gleichzeitig sollte Ferrari eine neue Submarke ins Leben rufen – Dino – um den Motor auch unter dem eigenen Namen nutzen zu können. So entstand aus einem Homologationsprojekt eine der ungewöhnlichsten Allianzen der Automobilgeschichte.
Ein Ferrari-Herz schlägt im Fiat – der legendäre Dino-V6

Der Motor des Fiat Dino war alles andere als ein gewöhnlicher Fiat-Antrieb. Sein Ursprung reicht zurück bis ins Jahr 1955, als Ferraris Chefkonstrukteur Vittorio Jano gemeinsam mit Enzo Ferraris früh verstorbenem Sohn Alfredo – genannt Dino – einen neuartigen V6-Motor entwickelte. Das Triebwerk besaß einen ungewöhnlichen Zylinderbankwinkel von 65 Grad, ursprünglich konzipiert für die 1,5-Liter-Formel-1-Motoren jener Zeit.
Für die Serienfertigung wurde der erfahrene Ingenieur Aurelio Lampredi beauftragt, der das Renntriebwerk alltagstauglich machen sollte. Als Grundlage diente ihm eine von Franco Rocchi entwickelte 1,6-Liter-Version mit vier über Duplex-Ketten angetriebenen Nockenwellen, einer vierfach gelagerten Kurbelwelle sowie Zylinderkopf und Block aus Leichtmetall – ein damals außergewöhnlich aufwendiger Aufbau. Lampredi behielt den Hub von 57 Millimetern bei, vergrößerte jedoch die Bohrung auf 86 Millimeter. Damit wuchs der Hubraum auf 1987 cm³ und das Aggregat wurde zu einem hochdrehenden, drehfreudigen Meisterwerk.
Drei mittig platzierte Weber-40-DCN-14-Doppelvergaser sorgten für das unverwechselbare Ansauggeräusch, das jeden Gasstoß zu einem kleinen Konzert werden ließ. Die Leistung lag bei 160 PS bei 7200 U/min – eindrucksvoll für ein Straßenfahrzeug dieser Zeit. Das Fünfganggetriebe basierte auf der robusten Viergang-Box des Fiat 2300S Coupé, erweitert um ein separates Zusatzgehäuse für den fünften Gang. So entstand ein Motor, der in seiner Zeit Ferrari-Renntechnik mit Fiat-Zuverlässigkeit verband – und der bis heute als eines der klanglich schönsten Aggregate der 1960er-Jahre gilt.
Zwei Autos, ein Motor – wie der Dino seine Formen fand
Nun fehlte nur noch die passende Bühne für den neuen Ferrari-V6. Tatsächlich entstanden daraus gleich zwei Modelle: der Fiat Dino als eleganter Frontmotor-Sportwagen und der Dino 206 GT als erster Mittelmotor-Ferrari.
Der Fiat basierte auf einer selbsttragenden Stahlkarosserie mit 2286 Millimetern Radstand. Vorn setzten die Ingenieure auf Schraubenfedern und Querlenker, hinten auf eine vom 2300S abgeleitete Starrachse mit halbelliptischer Blattfeder und doppelten Stoßdämpfern. Rundum kamen Girling-Scheibenbremsen zum Einsatz, die Lenkung stammte von ZF. Mit einem Gewicht von rund 1150 Kilogramm (Coupé: 1280 kg) war der Dino für seine Zeit vergleichsweise leicht.
Das rundliche Design mit den markanten Doppelscheinwerfern trug unverkennbar die Handschrift Pininfarinas – inspiriert von der 1965 gezeigten Studie Ferrari Dino Berlinetta Speciale. Während der Bug sportlich-skulptural wirkte, orientierte sich das Heck an klassischen Ferrari-Formen wie dem 275 GTB. Pininfarina übernahm den Karosseriebau, die Endmontage erfolgte im Fiat-Werk Rivalta.
Als der Fiat Dino Spider im Oktober 1966 auf dem Turiner Salon debütierte, war die Begeisterung groß – die italienische Presse hatte das Modell monatelang angekündigt, und angeblich waren die ersten 500 Exemplare bereits verkauft, bevor überhaupt jemand das Auto gesehen hatte.
Vom Spider zum Coupé – Feinschliff von Giugiaro und Gandini

Nur wenige Monate nach dem Spider präsentierte Fiat im März 1967 auf dem Genfer Salon die Coupé-Version des Dino. Entworfen wurde sie ursprünglich von Giorgetto Giugiaro, der kurz darauf zu Ghia wechselte. Den letzten Schliff übernahm daher Marcello Gandini bei Bertone.
Technisch entsprach das Coupé weitgehend dem Spider, besaß aber mit 2540 Millimetern einen längeren Radstand und eine komfortablere Ausstattung. Statt einer 2+1-Konfiguration bot es vier vollwertige Sitze, die Rückbank ließ sich im Verhältnis 50:50 umklappen – ein Plus an Alltagstauglichkeit bei unverändert sportlicher Linie.
Nach einem Absatzrückgang stoppte Fiat 1969 zunächst die Produktion, um beide Modelle wenige Monate später grundlegend überarbeitet zurückzubringen. Der V6 verlor dabei etwas Ferrari-DNA: Der Block bestand nun aus Gusseisen, der Hubraum wuchs auf 2,4 Liter. Mit 180 PS bei 6600 U/min und 216 Nm Drehmoment bot der Motor spürbar mehr Elastizität und damit Alltagstauglichkeit.
Dazu kamen ein neues ZF-Fünfganggetriebe im Dog-Leg-Schema und eine hintere Einzelradaufhängung, übernommen vom Fiat 130. Auch die Bremsanlage wurde verbessert – identisch mit jener, die in Hochkarätern wie dem De Tomaso Pantera oder Lamborghini Miura zum Einsatz kam.
Vom Geheimtipp zum Sammlerstück – der Dino findet seinen Wert
Als Fiat 50 Prozent der Ferrari-Anteile übernahm, verlagerte sich auch die Produktion des Dino nach Maranello. Pininfarina und Bertone lieferten die komplett ausgestatteten Karosserien dorthin, wo sie Seite an Seite mit dem Ferrari 246 GT montiert wurden. Bis zur Einstellung der Baureihe 1972 entstanden insgesamt 7803 Exemplare – rund drei Viertel Coupés und ein Viertel Spider. Besonders selten ist der Fiat Dino Spider 2.4 mit nur 420 gebauten Fahrzeugen.
Lange Zeit blieb die Nachfrage gering: Die komplexe Technik schreckte viele Besitzer ab, und die Preise fielen über Jahrzehnte auf erstaunlich niedriges Niveau. Heute jedoch hat sich das Blatt gewendet – Enthusiasten restaurieren die Modelle mit Hingabe, denn ihr Wert ist stabil und steigt kontinuierlich. Laut Classic-Data wird ein Spider 2.0 in Bestzustand aktuell mit etwa 142.000 Euro bewertet – deutlich mehr als das Coupé, das rund 83.000 Euro darunter liegt.
Klang, Charakter und Kontrolle – der Dino als fahrendes Orchester
Der kurzhubige V6 des Fiat Dino ist pure Inszenierung. Schon ein kurzer Gasstoß genügt, um die Auspuffrohre aufzuwecken – begleitet von einem hellen Jauchzen, einem tiefen Heulen und einem metallischen Knattern, das an Maschinengewehrfeuer erinnert. Die eng stehenden Pedale erleichtern sauberes Zwischengas, die Kupplung arbeitet gleichmäßig und lässt den Wagen sanft anrollen.
Der Motor dreht frei und willig hoch, seine Kraft entfaltet sich erst bei hohen Drehzahlen – 7200 U/min für die Spitzenleistung, 6000 für das maximale Drehmoment. Das Getriebe gilt als weniger robust als das ZF-Getriebe des 2.4, überzeugt jedoch mit präzisen Schaltwegen und animiert dazu, den Schalthebel aktiv zu nutzen. Unter 3000 Touren fühlt sich der V6 unterfordert, darüber erwacht er zu vollem Leben. Der fünfte Gang ist kein Overdrive, sondern für die Höchstleistung ausgelegt: rund 205 km/h, gemessen von auto motor und sport und der Automobil Revue. Der Verbrauch lag damals bei etwa 15 Litern auf 100 Kilometer – durchaus im Rahmen für einen Sportwagen dieser Klasse.
Das Fahrerlebnis wird klar vom Motor geprägt, doch auch das Fahrwerk überzeugt. Der Spider wirkt auf unebener Strecke steifer, als seine Bauweise vermuten lässt. Die Lenkung erfordert Kraft, bleibt aber präzise und vermittelt Vertrauen, während die Scheibenbremsen zuverlässig zupacken – auch wenn die Servounterstützung nur wenig Feedback ans Pedal weitergibt. Der Fiat Dino ist damit kein reines Klangwunder, sondern ein harmonisch abgestimmter Sportwagen, der mechanische Direktheit und italienische Leidenschaft auf einzigartige Weise verbindet.
Am Ende zeigt sich: Der Fiat Dino Spider ist mehr als ein Fiat mit Ferrari-Motor – er ist ein Paradebeispiel italienischer Ingenieurskunst. Er vereint Eleganz mit mechanischer Ehrlichkeit, Klang mit Präzision und Fahrspaß mit Stil. Seine Herkunft mag geteilt sein, doch sein Charakter ist einzigartig. Ein klassischer Gran Turismo, geschaffen für jene, die das Fahren noch als Erlebnis verstehen.






Das ganze Portrait über den Fiat Dino Spider lesen Sie in OCTANE #79
10 spannende Fakten rund um den Fiat Dino Spider
- Der Name Dino wurde nicht nur zu Ehren von Alfredo „Dino“ Ferrari gewählt, sondern auch als bewusste Abgrenzung – Enzo Ferrari wollte den Sechszylinder nicht unter dem reinen Ferrari-Namen verkaufen, weil er keinen V12 hatte.
- Der 2,0-Liter-V6 drehte bis zu 8000 U/min – außergewöhnlich hoch für ein Serienauto der 1960er-Jahre.
- Der Sound des Dino-V6 wurde bewusst „unsauber“ abgestimmt – leichte Asymmetrien in den Ansaugwegen sorgten für ein raueres, emotionaleres Klangbild.
- Der Dino war das erste Serienfahrzeug, das die strengen Homologationsanforderungen der FIA für einen Formel-2-Motor erfüllte.
- Der Dino 2.4 besaß als eines der ersten Fiat-Modelle eine vollwertige Klimaanlage – ein für italienische Autos der 1970er-Jahre seltener Luxus.
- Das Coupé wurde bei Bertone gefertigt, der Spider hingegen bei Pininfarina – zwei der wichtigsten italienischen Designhäuser arbeiteten somit parallel am gleichen Modell.
- Die Farbpalette umfasste mehr als 15 Töne – darunter seltene Lackierungen wie „Blu Francia“ oder „Verde Scuro Metallizzato“.
- Fiat bot den Dino mit optionalem Holzlenkrad von Nardi an – ein begehrtes Detail, das heute die Sammlerpreise deutlich steigert.
- Nur etwa 20 Prozent der produzierten Fahrzeuge existieren heute noch in originalem Zustand; viele wurden über die Jahrzehnte auf andere Motoren umgerüstet.
- Der Fiat Dino war eines der ersten Serienautos mit vier Scheibenbremsen und gleichzeitiger Servounterstützung
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