Der 288 GTO war kein Auto für den Boulevard. Er war gebaut, um zu siegen – auch wenn die geplante Rennserie nie stattfand. Für Ferrari bedeutete dieses Modell die Rückkehr zu den Wurzeln: kompromisslose Performance, direkt aus Maranello.

Der 288 GTO war vom Tag seiner Markteinführung an immer ein teures Auto und ist selbst in der schlimmsten Wirtschaftskrise nie unter seinen ursprünglichen Listenpreis gefallen. Dieser Preis betrug bereits 1984 stolze 265.000 D-Mark, doch schon lange werden für dieses Fahrzeug Millionen geboten. Der offiziell nur Ferrari GTO – für »Gran Turismo Omologato« – benannte Sportwagen sollte Ferrari die Rückkehr in den Rallye-Sport ermöglichen. Und zwar in die damals aktuelle Gruppe B. Ferraris Formel-1-Ingenieure Harvey Postlethwaite und Nicola Materazzi ließen sich bei der Entwicklung sowohl durch den Formel-1-Renner 126C als auch die radikalen Gruppe-B-Geschosse inspirieren. Zentrale Merkmale ihrer Kreation: leichte Karosserie aus Verbundwerkstoffen und Turbolader.
Der 288 GTO legte den Grundstein für eine neue Generation der Supersportwagen
Mit dem 288 GTO präsentierte Ferrari 1984 den ersten „Gran Turismo Omologato“ seit dem legendären 250 GTO von 1962 – und legte damit den Grundstein für eine neue Generation von Supersportwagen. Als Vorreiter von Ikonen wie F40, F50, Enzo, LaFerrari und dem aktuellen SF90 markierte der 288 GTO nicht nur einen technischen, sondern auch einen strategischen Neuanfang. Enzo Ferrari selbst hatte das Modellprogramm zuvor als zu luxuriös und weich kritisiert – der GTO sollte wieder echte Motorsport-DNA auf die Straße bringen.
Doch so sehr es bei diesem Auto um Performance geht, Geld spielt dabei ebenfalls eine Rolle – besonders, wenn man mit Tom Hartley Junior spricht. Der britische Supersportwagenhändler gilt als einer der renommiertesten Experten für seltene Ferraris und hat seit 1997 rund 45 Exemplare des 288 GTO gehandelt – einige davon mehrfach. „Der günstigste, den ich je gekauft habe, lag bei 135.000 Euro und hatte nur 14.000 Kilometer“, erzählt er. „2010 habe ich erstmals einen für über eine Million Pfund verkauft – das waren damals fast 1,2 Millionen Euro.“

Herzstück mit Rennsportgenen: Der V8 im 288 GTO
Im Ferrari 288 GTO arbeitet ein V8-Mittelmotor, der auf dem Aggregat des 308 GTB basiert, aber tiefgreifend überarbeitet wurde. Der Motorblock des Typs F114B wurde um 90 Grad gedreht und längs eingebaut – ein Kniff, der nicht nur die Gewichtsverteilung verbesserte, sondern auch den schnellen Austausch der Getrieberäder im Renneinsatz erleichterte. Nicola Materazzi, verantwortlich für die Entwicklung, arbeitete parallel auch am Gruppe-C-Projekt Lancia LC2 – das Know-how floss direkt in den GTO ein. Mit zwei Turboladern schöpft der 2,8-Liter-Motor 400 PS bei 7000 U/min und satte 495 Nm bei 3800 U/min – fast doppelt so viel wie der 308 GTB. Zwar braucht der Motor Drehzahl, bis der volle Schub einsetzt, doch genau das macht seinen Reiz aus. Die tief gerippte Motorhaube trägt dem hitzigen Charakter Rechnung – sie gleicht einer Jalousie, durch die das Kraftzentrum atmen kann.
Der 288 GTO garantiert ein komfortables Fahrgefühl
Tom Hartley Jnr. besitzt sowohl den ältesten noch existierenden 288 GTO – den zweiten von nur sechs gebauten Prototypen – als auch einen F40. Letzterer übernahm im Wesentlichen die Mechanik des GTO, bekam aber eine deutlich aerodynamischere Karosserie und ein noch radikaleres Design. Für Hartley ist klar: Der GTO ist das praktischere Auto. „Der GTO bietet ein mit dem F40 vergleichbares Fahrgefühl, mit ähnlicher Leistung, ähnlichem Gewicht und dem Kick eines Twin-Turbos“, erklärt er. „Der GTO ist aber das viel ausgewogenere Auto, das sich einigermaßen komfortabel fahren lässt, während der F40 ein Rennwagen für die Straße ist.“ Trotz technischer Verwandtschaft trennen beide Modelle Welten – der F40 fordert, der GTO begeistert mit Balance.
Pure Ästhetik auf Speedline-Felgen

Mit nur 1120 Millimetern Höhe wirkt der GTO wie ein RubensAkt auf einer Chaiselongue; mit üppigen Hüften, schmaler Taille, gewölbten Vorderkotflügeln und dem unschuldigen Augenaufschlag der Klappscheinwerfer. Die zweiteiligen 16-Zoll-Leichtmetallfelgen von Speedline mit Zentralverschluss sind dabei der Schmuck dieses Kunstwerks. Gezeichnet von Leonardo Fioravanti bei Pininfarina, basiert die Karosserie auf einem verlängerten 308-Chassis mit breiterer Spur und wurde überwiegend aus leichten Verbundmaterialien gefertigt – Kevlar, Kohlefaser, Stahl. Funktionale Details wie die integrierten Zusatzscheinwerfer, die eingezogene Seitenscheibe mit zusätzlichem Lufteinlass und das aerodynamische Kamm-Heck sorgen nicht nur für den unverwechselbaren Design-Charakter, sondern auch für Effizienz. So wurde aus einem Entwurf für die Rennstrecke ein Designklassiker mit Straßenzulassung.
Bei aller äußerlichen Ähnlichkeit zum 308 – konstruktiv unterscheidet sie vieles. Der GTO besitzt einen Stahlrohrrahmen statt der Semi-Monocoque-Bauweise des 308, der Radstand des GTO wurde um 110 auf 2450 Millimeter verlängert, um den längs eingebauten Motor unterbringen zu können.
Ferrari kehrt mit dem 288 GTO zur Kleinserienproduktion zurück
Bis 1987 entstanden nur 272 Exemplare, alle in Rosso Corsa. Damit kehrte Ferrari erstmals seit dem 365 California fast zwei Jahrzehnte zuvor zur Kleinserienproduktion zurück. Die zur Gruppe-B-Homologation erforderliche Mindestmenge von 200 Stück schaffte Ferrari damit aber locker.
Für für Hartley Jnr. wird der GTO immer etwas Besonderes bleiben. »Viele Jahre lang kauften die Leute nur GTO und F40. Aber da solche Autos immer mehr zu Sammlerobjekten werden und die Preise stiegen, haben sich viele dafür entschieden, in die Big Five zu investieren«, erklärt er und meint das Quintett aus 288 GTO, F40, F50, Enzo und LaFerrari. »Von all diesen Autos befinden sich die GTO in den besten Händen – im langfristigen Besitz von Sammlern, die nicht an einem Verkauf interessiert sind. Ferrari hat über 1300 Exemplare des F40 gebaut, es stehen also immer welche zum Verkauf. Ähnlich verhält es sich mit F50 und Enzo. Beim La Ferrari kann man sich sogar quasi die Farbe aussuchen. Aber in letzter Zeit gab es weltweit nur einen GTO zu kaufen.«
Es bleibt das Resümee: Der 288 GTO ist nicht nur der Ursprung einer legendären Supersportwagenlinie, sondern auch das seltenste, ursprünglichste und vielleicht begehrenswerteste Modell unter Ferraris „Big Five“ – ein Auto, das längst seinen Platz im automobilen Olymp gefunden hat.






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10 spannende Fakten zum 288 GTO
- Die Modellbezeichnung „288 GTO“ steht für 2,8 Liter Hubraum, 8 Zylinder – und „GTO“ für „Gran Turismo Omologato“, eine Hommage an den 250 GTO.
- Nur 272 Exemplare gebaut: Damit ist der 288 GTO deutlich seltener als seine Nachfolger. Jeder einzelne wurde in Rosso Corsa ausgeliefert.
- Enzo Ferraris Handschrift: Der 288 GTO war das letzte Ferrari-Projekt, an dem Enzo Ferrari persönlich mitwirkte – und das er gezielt als Rückbesinnung auf sportliche Tugenden plante.
- Spitzengeschwindigkeit über 300 km/h: Für die 1980er ein absoluter Spitzenwert – der GTO war einer der ersten Serienwagen, der diese Marke durchbrach.
- Klangcharakter zwischen Turbo-Pfeifen und mechanischem Fauchen: Der Sound des 288 GTO ist eine eigenwillige Mischung aus mechanischem Surren, dumpfem Brüllen und den typischen Turbogeräuschen – kein klassischer Ferrari-Saugerklang, aber hochgradig charaktervoll.
- Wertentwicklung rasant: In den 1990ern teils für unter 150.000 Euro zu haben – heute werden je nach Historie und Zustand mehrere Millionen aufgerufen.
- Nur eine Handvoll Prototypen: Vor den 272 Serienmodellen entstanden sechs Prototypen, von denen Tom Hartley Jnr. den ältesten erhaltenen besitzt.
- Der GTO war nie offiziell in den USA erhältlich: Wegen gesetzlicher Bestimmungen wurde der Wagen nie für den US-Markt homologiert – viele Exemplare wurden später „grey import“-mäßig eingeführt.
- Chassisnummern ab 50201: Der erste Prototyp begann mit der Chassisnummer 47647, die Serienproduktion setzte dann mit 50201 ein.
- Der GTO hatte keinen offiziellen Nachfolger – und doch fünf Erben: Obwohl es nie eine direkte Modellablösung gab, gilt der GTO als „Vater“ der Ferrari-Supersportwagenreihe: F40, F50, Enzo, LaFerrari und SF90.
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