Jensen FF Baujahr 1966 mit markanter Frontpartie und langer Motorhaube
Klassiker

Der Jensen FF: Ein Visionär seiner Zeit

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Der Jensen FF war kein Auto, das sich an bestehende Regeln hielt – er schrieb einfach neue. Als er 1966 vorgestellt wurde, war der Jensen FF das erste Serienfahrzeug der Welt mit permanentem Allradantrieb, der Maßstäbe setzte, lange bevor andere Hersteller diesem Konzept folgten. Fünf Jahre Pionierarbeit steckten in seiner Entwicklung und doch blieb der Erfolg aus – zu teuer, zu technisch.

Heute gilt der Jensen FF als Prophet der Automobilgeschichte, ein Fahrzeug, das die Zukunft erahnte, als andere noch in den Kategorien von Heck- und Frontantrieb dachten. Zwischen dem ersten handgefertigten Exemplar und dem letzten gebauten Modell spannt sich die Geschichte eines Wagens, der Ingenieursmut über den Markterfolg stellte – und damit einen Legendenstatus erlangte.

Der Jensen FF schrieb Geschichte, bevor die Welt bereit dafür war

Der Jensen FF war seiner Zeit weit voraus – technisch brillant, wirtschaftlich ein Wagnis. Als erstes Serienfahrzeug mit Allradantrieb veränderte er 1966 die automobile Logik, blieb jedoch zeitlebens ein Außenseiter. Viele schreiben den Durchbruch des 4×4-Antriebs bis heute Audi zu, doch der Quattro kam erst 14 Jahre später.

Ebenso war der FF das erste Auto mit einem funktionierenden Antiblockiersystem – lange bevor Mercedes das System 1978 als teures Extra in die S-Klasse einführte. Die Technik war revolutionär, aber teuer und komplex. Selbst Ferdinand Piëch ließ sich einen Jensen liefern, um ihn zu testen – nach 3600 Kilometern gab man ihn unbeeindruckt zurück. Trotzdem prägte der FF die Ingenieurswelt nachhaltig.

So wurde aus einer Rennidee ein technisches Meisterwerk

Die Idee zum Allradantrieb für Straßenfahrzeuge entstand ursprünglich im Motorsport: Rennfahrer Freddie Dixon und Ingenieur Tony Rolt entwickelten sie gemeinsam mit Traktorenpionier Harry Ferguson. Ursprünglich wollte Ferguson sein System an große Hersteller lizenzieren, doch das Interesse blieb aus.

Nach dem Tod von Harry Ferguson 1960 führte Ingenieur Tony Rolt die Vision eines allradgetriebenen Straßenwagens allein weiter. Mit dem Ferguson P99 brachte er 1961 das erste Allrad-Fahrzeug im Formelrennsport an den Start – Stirling Moss gewann damit den Gold Cup in Oulton Park. Das Interesse großer Hersteller blieb jedoch gering, bis Jensen Motors das Potenzial erkannte.

Ab 1962 entstand in Zusammenarbeit mit Ferguson Research der Jensen FF, ausgestattet mit einem kräftigen Chrysler-V8, permanentem Allradantrieb und einem frühen Antiblockiersystem. Auf der Basis des Interceptor gebaut, war der exklusive 2+2-Sitzer technisch brillant, aber komplex und kostspielig – insgesamt wurden nur 320 Exemplare gefertigt.

Innenraum des Jensen FF mit Leder, Holz und Jaeger-Instrumenten

Der Jensen FF brachte Allrad und ABS erstmals in Serie

Neben dem Allradantrieb war der Jensen FF auch das erste Serienfahrzeug der Welt mit Antiblockiersystem. Das von Dunlop entwickelte Maxaret-System stammte ursprünglich aus der Luftfahrt und verhinderte das Blockieren der Räder, indem es den Bremsdruck regulierte – ein Sicherheitsgewinn, besonders bei einem 1,7 Tonnen schweren GT mit 330 PS. Das mechanische System arbeitete über das Verteilergetriebe und reduzierte bei drohendem Blockieren den Unterdruck im Bremskraftverstärker. Der Fahrer spürte dies durch leichtes Pulsieren im Pedal.

Trotz seiner Einfachheit war das System seiner Zeit weit voraus. 1967 wurde der FF zum „Car of the Year“ gekürt und als „sicherstes Auto der Welt“ bezeichnet. Optisch unterschied er sich vom Interceptor durch die verlängerte Front, zusätzliche Lüftungsschlitze und den angepassten Radstand. Unter der Haube arbeitete ein 6,3-Liter-Chrysler-V8 mit der bewährten TorqueFlite-Dreigangautomatik.

Zwei Jensen FF erzählen die Geschichte einer ganzen Ära

Zwei Fahrzeuge markieren Anfang und Ende der Jensen-FF-Produktion: ein früher Mk1 mit der Chassisnummer 006 und das letzte gebaute Exemplar der Mk3-Serie. Beide gehören den britischen Unternehmern Steve Groves und Ian Owen, die Anteile an der Jensen-Spezialwerkstatt Cropredy Bridge Garage nahe Banbury halten. Der frühe FF 006 wurde einst vom Kriegsveteranen Captain Peter Hall als Ersatz für seinen Aston Martin DB6 gekauft. Nach mehreren Besitzerwechseln fand Steve Groves ihn 2013 unter einer Plane auf einer Farm und ließ ihn gemeinsam mit Experten originalgetreu restaurieren – inklusive des italienischen Leders, das an der Universität Northampton aufbereitet wurde. Der letzte FF, heute im Besitz von Ian Owen, verließ 1971 das Werk in der Farbe Brasilia und wurde später in Stratosphere Blue umlackiert. Nach einer umfassenden Restauration in Kalifornien kehrte er 2013 nach England zurück und wird seither von Cropredy Bridge gepflegt.

Der Jensen FF hinterließ Spuren, die bis heute nachwirken

Blick auf die verlängerte Frontpartie des Jensen FF mit Lüftungsschlitzen

Zwei Fahrzeuge, zwei Charaktere – und beide faszinieren bis heute. Der frühe, bei Vignale gebaute FF zeigt mit hellerer Kabine, feinen Holzleisten und klassischer Linienführung noch den Charme italienischer Handwerkskunst. Das spätere 1971er-Modell wirkt reifer, stabiler und technisch perfekter – ein Gran Turismo mit satter Kraftentfaltung und souveränem Komfort. Sein 6,3-Liter-V8 reagiert spontan, die Servolenkung arbeitet leichtgängig, und die Kombination aus Allrad und frühem ABS vermittelt auch heute noch beeindruckende Sicherheit. Der FF verbindet britischen Luxus mit amerikanischer Power und italienischer Eleganz – ein einzigartiges Dreigestirn der Automobilgeschichte. Dass der Allradpionier später von Audi als »Erster seiner Art« übergangen wurde, ändert nichts an seinem Vermächtnis. Denn ohne den Jensen FF gäbe es viele technische Errungenschaften, die heute selbstverständlich sind, vielleicht gar nicht – ein Prophet, der seiner Zeit einfach zu weit voraus war.


10 spannende Fakten rund um den Jensen FF

  1. Das Kürzel „FF“ steht für „Ferguson Formula“ – zu Ehren des Unternehmens Ferguson Research, das den Allradantrieb entwickelte.
  2. Der Jensen FF wurde nur als Rechtslenker gebaut – ein Linkslenker hätte wegen des aufwendigen Verteilergetriebes keinen Platz im Fußraum gehabt.
  3. Der Wagen kostete 1966 rund 6.000 Pfund Sterling – fast doppelt so viel wie ein Jaguar E-Type und mehr als ein Rolls-Royce Silver Shadow.
  4. Nur 320 Exemplare wurden gebaut: 195 Mk I, 110 Mk II und 15 Mk III.
  5. Die Kraftverteilung lag bei 63 Prozent an der Hinter- und 37 Prozent an der Vorderachse – ein Kompromiss aus Traktion und Sportlichkeit.
  6. Der Jensen FF beschleunigte in unter sieben Sekunden auf 100 km/h – beachtlich für 1,7 Tonnen Leergewicht.
  7. Zu den prominenten Besitzern zählten Bill Wyman (Rolling Stones) und Harold Wilson, damaliger Premierminister des Vereinigten Königreichs.
  8. Der FF war eines der ersten Autos mit elektrisch verstellbaren Außenspiegeln – damals eine echte Innovation.
  9. Heute existieren weltweit schätzungsweise rund 180 überlebende FF-Modelle, viele davon restauriert, nur wenige im Originalzustand.
  10. Das technische Konzept des Jensen FF diente Jahrzehnte später als Inspiration für den Lamborghini FF und beeinflusste das moderne Allrad-Layout vieler Sportwagenhersteller.
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