Porsche 914 S in Seitenansicht auf freier Straße
Klassiker

Porsche 914 S: Ein Einzelstück mit Rennmotor und Straßenzulassung

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Vor 50 Jahren endete die Produktion des Porsche 914 – einer Baureihe, die oft unterschätzt, aber von Kennern verehrt wird. Doch ein Exemplar sticht aus der Historie besonders hervor: der 914 S. Ein Einzelstück mit Achtzylinder-Rennmotor, gebaut unter der Ägide von Ferdinand Piëch – und nur mit Sondergenehmigung überhaupt auf öffentlichen Straßen bewegt. Einer von nur zwei existierenden 914 mit V8-Herz, kompromisslos auf Performance getrimmt. Dieses Auto lebt, fährt – und zeigt bis heute, wozu die Baureihe wirklich imstande war.

Wie viel Leistung verträgt ein seriennaher 914? Welches Potenzial steckt wirklich im Mittelmotor-Konzept? Und wie weit darf man gehen, wenn man Renntechnik auf die Straße bringen will? All diese Fragen stellte sich Porsche Ende der 1960er – und fand zwei sehr unterschiedliche Antworten: 914 006 und 914 111.

Der intern als 914/10 geführte Wagen mit der Fahrgestellnummer 006 war ein Geburtstagsgeschenk an Ferry Porsche – komfortabel ausgestattet, zurückhaltend motorisiert. Ganz anders der 914 S mit der Nummer 111. Unter der Regie von Ferdinand Piëch entstand daraus der extremste 914 überhaupt: ein Mittelmotor-Coupé mit V8-Renntechnik, intern als 914/11 bezeichnet. Keine Studie, kein Schaustück – sondern ein echter Grenzgang auf vier Rädern.

Ein V8 im Tarnanzug: Warum der 914 S nicht 914-8 hieß

Rein logisch hätte der 914 S nach 914-4 und 914-6 eigentlich als 914-8 bezeichnet werden müssen – schließlich kam ein Achtzylinder-Rennmotor zum Einsatz. Doch Porsche hielt sich mit der Namensgebung auffallend zurück und nannte das Extremmodell schlicht „914 S“.

Der Sonderstatus der beiden gebauten Fahrzeuge beruhte auf dem Motor: einem drei Liter großen Achtzylinder, der ursprünglich für den 908-Prototypen entwickelt wurde. Hintergrund war die Reglementänderung der FIA, die ab 1968 ein Hubraumlimit von drei Litern für Sportprototypen vorschrieb. In nur neun Monaten entwickelte Porsche – parallel zum aufsehenerregenden Zwölfzylinder des 917 – den neuen DOHC-Achtzylinder-Boxer. Konstruiert von Hans Mezger, basierte er auf dem Sechszylinder des 911 und wurde um zwei Zylinder erweitert.

Das Ergebnis: bis zu 350 PS bei 8600/min – deutlich mehr als alles, was bis dahin in einen straßenzugelassenen 914 eingebaut worden war. Der zuvor verwendete Achtzylinder des Formel-1-Wagens 804 galt zu diesem Zeitpunkt als technisch ausgereizt. Der 908-Motor hingegen bot das perfekte Mittelmaß zwischen Komplexität und Leistung – und machte den 914 S zu einem Einzelgänger mit reinrassigem Motorsportherz.

Detailansicht der Schalthebel Porsche 914 S

Piëchs Prototyp: Der erste 914 S mit Rennmotor

Der erste 914 S entstand 1969 für Ferdinand Piëch – damals Porsche-Entwicklungschef und Architekt des 917-Projekts. Um die Nähe zur Rennstrecke zu betonen, positionierte Porsche den Wagen auf Pressefotos gern neben dem 917. Technisch war der blutorangefarbene 914 S, basierend auf einem 914-6-Prototyp, eine direkte Brücke zwischen Straße und Rennsport.

Auffällig waren einige Vorserien-Details, die es später nicht in die Serie schafften: ausklappbare Doppelscheinwerfer, lange Blinkergläser, verschweißte Kotflügel und eine glatte Alu-Front ohne Nebelleuchten – dafür mit dezentem Lüftungsschlitz für den Ölkühler. Der Tankverschluss wanderte außen auf den Windlauf, das Dach war fest verschraubt, aus Kunststoff gefertigt und mit Kreuzstreben verstärkt. Breitere Räder passten unter leicht ausgestellte Radläufe. Die Bremsanlage stammte vom 911 S, ergänzt durch dickere Scheiben vorn. Bilstein-Dämpfer, härtere Federn – fertig war ein unscheinbares Geschoss mit rund 300 PS. Noch nie hatte Porsche so diskret so viel Renntechnik verpackt.

Geburtstagsgeschenk mit Achtzylinder: Der 914 S für Ferry Porsche

Der zweite 914 S war dezenter – und doch ein Einzelstück mit Charakter. In gedecktem Silber gehalten, wurde er am 19. September 1969 an Ferry Porsche übergeben, der das Auto über Jahre hinweg regelmäßig fuhr und mehr als 10.000 Kilometer zurücklegte. Äußerlich kaum vom Serienmodell zu unterscheiden, verrieten nur der Tankdeckel in der Fronthaube und das fest verschweißte Stahldach mit integriertem Schiebedach seinen Sonderstatus. Unter der Haube arbeitete eine zivilisierte Version des 908-Achtzylinders – Motornummer 918 0001 –, die 260 PS bei 7700/min und 260 Nm Drehmoment leistete. Mit vier Weber-Doppelvergasern und reduzierter Verdichtung war der Motor alltagstauglich, aber keineswegs zahm: 262 km/h Spitze und 6,0 Sekunden auf 100 km/h sprechen für sich. Bei nur 1130 Kilogramm Leergewicht blieb der Wagen erstaunlich leicht. Sogar eine reguläre Straßenzulassung mit dem Kennzeichen S – R 3000 wurde erteilt. Dem Geschenk lag nicht nur eine persönliche Betriebsanleitung bei, sondern auch ein handgeschriebener Gruß – ganz im Stil der Familie Porsche.

Dem 914 S Piëchs, offiziell als Versuchsfahrzeug geführt, legten die Ingenieure weniger Fesseln an. Hier fiel die Wahl in letzter Konsequenz auf eine rennsportnahe Ausführung des Achtzylinderboxers, mit Bosch-Renneinspritzung und einer Leistung von 300 PS. Mit dem roten Kennzeichen S – P 7700 ging der 914 S in den Fahrversuch und wurde am 4. September 1970 nach etwas mehr als 1500 Kilometern abgemeldet.

Technik unter Spannung: So kam der V8 in den 914

Seitenspiegel des Porsche 914 S

Den Achtzylindermotor im 914 unterzubringen, war eine konstruktive Herausforderung. Zwar war das Aggregat nur 15 Zentimeter länger als ein 911-Sechszylinder, doch reichte das, um umfangreiche Änderungen nötig zu machen. Die Schottwand wurde überarbeitet, um das Lüfterradgehäuse samt Luftzufuhr vorn am Motor unterzubringen. Im vorderen Kofferraum beanspruchten ein 117-Liter-Tank, das Notrad, eine Feuerlöschanlage und die Doppelscheinwerfer fast jeden Zentimeter.

„Mit der leeren Karosserie, Motor und Getriebe haben sie angefangen, die Fertigstellung war dann ein Bausatz ohne Anleitung“, erinnert sich Hans Clausecker, damals Fahrwerksexperte bei Porsche. Für ihn bedeutete das: improvisieren, testen, anpassen. „Beim zweiten Auto für Ferry Porsche gab es immerhin schon einige technische Zeichnungen“, sagt Clausecker. Besonders kompliziert war die Schaltmechanik: Statt geradlinig geführt, musste das Gestänge aufwendig umgelenkt werden, da unter dem Motor schlicht kein Platz war. So verlief die Schaltstange vom Mitteltunnel zur Seite, dann nach hinten – und hinter dem Motor wieder zur Wagenmitte. Clausecker war dabei nicht nur Techniker, sondern auch Testfahrer: „Ich habe den 914 S freitags nach Weissach gebracht. Piëch fuhr am Wochenende seine Runden, montags kam das Feedback – und ich fuhr zurück nach Zuffenhausen. Vermutlich bin ich mehr mit dem 914 S gefahren als Herr Piëch selbst.“,

Der Porsche 914 S ist mehr als nur ein technisches Experiment – er ist ein Statement. Gebaut ohne Rücksicht auf Serienlogik, mit Mut zur Lücke und der Handschrift eines Ferdinand Piëch, steht er für eine Zeit, in der Ingenieure noch kompromisslos gestalten durften. Seine Existenz verdankt sich nicht dem Markt, sondern der Überzeugung, dass aus einem kleinen Mittelmotor-Sportwagen etwas ganz Großes werden kann. Heute ist der 914 S ein Stück lebendige Porsche-Geschichte – leise im Auftritt, aber laut im Anspruch. Und der Beweis dafür, dass man auch mit 15 Zentimetern mehr Platz Geschichte schreiben kann.


10 spannende Fakten über den Porsche 914 S

  1. Nur zwei Exemplare wurden gebaut – ein orangefarbener für Ferdinand Piëch und ein silberner für Ferry Porsche.
  2. Piëchs Version leistete rund 300 PS, die „zahmere“ Variante für Ferry Porsche kam auf 260 PS.
  3. Die Motoren waren wassergekühlt – ungewöhnlich für Porsche-Boxer jener Zeit.
  4. Das Getriebe stammte vom 914-6, wurde aber verstärkt, um die Mehrleistung aufzunehmen.
  5. Der Tank wanderte in den vorderen Kofferraum – ein 117-Liter-Tank inklusive Feuerlöschanlage.
  6. Beide Wagen verfügten über einen außenliegenden Tankdeckel im Windlauf. 
  7. Die Doppelscheinwerfer des Piëch-Prototyps klappten nach oben – ein Vorserienmerkmal.
  8. Die Aluminium-Frontschürze war glatt, ohne Öffnungen für Nebelscheinwerfer – stattdessen ein dezenter Lüftungsschlitz.
  9. Beide 914 S hatten speziell angefertigte Betriebsanleitungen, die den Umgang mit dem V8-Triebwerk erklärten. 
  10. Heute gelten beide Fahrzeuge als technische Meilensteine der Porsche-Entwicklung – und als fast unbekannte Urahnen des späteren 918 Spyder.
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