Klassiker

RS und kein Ende

Vorherige Story
Nächste Story

Der berühmteste Elfer der 70er-Jahre war der Startschuss für RS-Versionen weiterer 911-Generationen. Bis 2000 waren das noch die luftgekühlten Modelle des 964 und des 993.

Als der wahre Erbe des M471 darf der 964 RS der frühen Neunzigerjahre gelten. Nach dem 230 PS starken 911 Carrera RS 3.0 der G-Serie herrschte eine lange RS-Pause: Der 911 Carrera war weniger, der 911 SC/RS viel zu viel Rennsport. Der 964 RS war genau richtig.

Wie beim Ur-Carrera RS führte die Karriere des 963 RS von der Rennstrecke auf die Straße, nicht andersrum. Als zivile Version des Cup Carrera bog er als abgemagerter Carrera 2 vom Markenpokal in den Alltag ab: ohne Servolenkung und Rückbank, mit Dünnglasscheiben und fünf Kilo leichterem Kabelbaum. Die Leistung von 260 PS lag milde 10 PS über der des handelsüblichen 964 C2, als Spitze wurden 260 km/h angegeben. Wie beim Original fehlte sogar das Radio, und das bei einem Preis von 145.450 D-Mark, was einem Zuschlag von rund 30.000 D-Mark entsprach. Porsche brauchte das Geld! Und die Kundschaft wollte wieder einen RS, und zwar am liebsten einen, der keine Kompromisse einging. Selbst wenn ihm, durchaus untypisch, der feststehende Heckspoiler fehlte!

Obwohl optisch leicht retuschiert, blieb der 911er als 964 der G-Modell-Optik treu.

Vermutlich produzierte Porsche auch deshalb nur 76 Einheiten der mit elektrischen Fensterhebern und leiser laufendem Zweimassen-Schwungrad komfortabler ausgestatteten Touring-Version M002. Der bequemere 964 RS blieb der rarste. Selbst vom kostbaren, final entwickelten RS 3.8 baute Weissach 90 Stück, der extra harte RS N/GT lief 260-mal vom Band und für den US-amerikanischen Markt legte Porsche den RS America mit großem Turbo-Heckflügel in einer Stückzahl von 701 Einheiten auf. So vielfältig wie der 964 war kein anderer RS-Typ der luftgekühlten Ära.

Dass er in die Zeit passte, belegen die Verkaufszahlen. Mit 2282 Stück war der 964 RS der am Markt erfolgreichste RS, der 993 RS blieb mit 1014 Einheiten (gerade genug für die Homologation) der seltenste. Dass ein ruppiger Typ wie der 964 RS gern modische Farben wie Sternrubin trägt, gehört zum Wesen der in den Neunzigern groß werdenden Baureihe wie die fest zugreifenden Schalensitze in der Farbgebung von Waldbeeren-Joghurt. Er tut nur so fancy, aber bereits auf den ersten Metern macht er klar, wie ernst es ihm ist!

Wo sind sie, die freundschaftliche Verbindlichkeit des 911 Carrera RS, die leichte Bedienbarkeit und der Komfort der Ballonreifen? Zerkaut und heruntergeschluckt im Mahlen und Rasseln des Schwungrads im Heck, der Stöße des steinharten, tiefgelegten Fahrwerks, des Lärms im Innenraum. Kein Auto für Männer, sondern für Kerle!

Ein Ausflug mit ihm ist gute, ehrliche Arbeit, die den Fahrer mit wohliger Erschöpfung erfüllt. Alles am 964 RS geht schwer: das Kuppeln, die harte, präzise Schaltung, die servolose Lenkung. Mit einer Handfläche am Kranz fährt niemand einen 964 RS durch einen Kreisverkehr! Fensterkurbeln in einem Elfer für mehr als 145.000 D-Mark? Ja, was denn sonst?

Text: Jan-Henrik Muche // Fotos: Porsche

In OCTANE #61 erfahren Sie mehr über Porsches RS-Modelle der ersten 30 Jahre und wie sich der 993 RS Clubsport im Vergleich fährt.

Noch mehr Stories über klassische Porsche finden Sie in diesen Ausgaben

Oder bestellen Sie sich OCTANE ganz bequem im Abo nach Hause

Vorherige Story
Nächste Story

Das könnte Sie auch interessieren

0 Shares