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Lernen Sie den Oldsmobile Serie 98 Custom Cruiser von 1941 kennen – das damals zukunftsweisendste Produkt der technologisch anspruchsvollsten Marke im GM-Konzern.

Ein Oldsmobile Serie 98 Custom Crui- ser Sedan aus dem Jahr 1941, ein Stück amerikanisches Kulturgut aus der Zeit kurz vor Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, ist jetzt auf den Straßen Italiens unterwegs. Wie kann das gehen? Das ist eine lange Geschichte, die eng mit einer Familie im US-Bundestaat Ohio verbunden ist. Doch ehe wir darauf zu sprechen kommen, sollten wir zunächst wissen, was Oldsmobile ausmachte, wo die Ursprünge lagen und was die Marke für ein amerikanisches Publikum bedeutete, das immer auf der Suche nach den neuesten automobilen Verlockungen war.

Wir beginnen in den Jahren unmittelbar nach der Erfindung des Autos, als in Amerika Hunderte von Automobilunternehmen kamen und gingen. Nur sehr wenige schafften es, eine nennenswerte Produktion aufzubauen und noch weniger sind bis heute in Erinnerung geblieben. Oldsmobile ist eines von ihnen. Und wenn man sich einmal die Nennungen für den jährlichen London to Brighton Veteran Car Run, an dem Autos mit Baudaten bis zum 1. Januar 1905 teilnehmen können, anschaut, wird deutlich, dass die Autos von Oldsmobile schon damals zu den technisch fortschrittlichsten von allen gehörten.

Das in einem hellen Blau lackierte Dach kontrastiert mit dem in einem dunkleren Blauton gehaltenen Unterbau.

Die 1897 von Ransom Eli Olds in Lansing, Michigan, gegründete Olds Motor Vehicle Company war nur kurzlebig. Zwei Jahre später wurde sie nach Detroit verlegt und in Olds Motor Works umbenannt, wobei der 35-jährige Olds als Vizepräsident und Generaldirektor an Bord blieb. Olds (1864–1950) war ein Pionier, der schon 1887 sein erstes Dampfauto und 1896 sein erstes Modell mit Verbrennungsmotor baute.

Im Jahr 1901 brachte die florierende Olds Motor Works das Oldsmobile Model R “Curved Dash” auf den Markt. Es war das erste Auto, das noch vor dem Ford Model T auf einem stationären Fließband in Serie produziert wurde: Dabei fanden standardisierte Teile Verwendung, die zwischen verschiedenen Modellen austauschbar waren. 1903 baute Olds 3924 Curved-Dash-Modelle und stieg damit zum größten Automobilhersteller der USA auf.

Doch dann wurde Olds, der Mann, 1904 aus seinem Unternehmen gekickt, nur um mit seiner REO Motor Company, benannt nach seinen Initialen, wieder auf die Beine zu kommen. REO brachte 1915 den Speedwagon auf den Markt, einen Vorläufer des leichten Pick-ups. Eine Bezeichnung, die die amerikanische Rockband REO Speedwagon – in den 1980er-Jahren mit Hits wie “Can’t Fight This Feeling” und “Keep On Loving You” erfolgreich – als Bandnamen adoptierte.

Der Innenraum ist komfortabel und elegant, mit viel Chrom am Armaturenbrett

1908, und damit nur ein Jahr nach Produktionsende des Curved Dash, waren die Olds Motor Works bereits in die Hände von General Motors übergegangen.

Unter dem Detroiter Riesen begann die gemeinsame Nutzung von Plattformen – was zeigt, dass diese Strategie älter ist, als gemeinhin angenommen. Den größten Anteil an übereinstimmenden Teilen gab es mit Buick – zur Abgrenzung führte GM für die Oldsmobile-Produkte den Zusatz “Series” ein, gefolgt von einer Nummer. Ab 1941, als das Auto, das Sie hier sehen, gebaut wurde, waren die Nummern zweistellig. Das blieb so bis 2004, als GM die Oldsmobile-Division nach mehr als 35 Millionen produzierten Fahrzeugen schloss.

Die Serie 98 aus den 1940er-Jahren ist für die Geschichte von Oldsmobile von großer Bedeutung. Im Jahr 1939 kam sie – für das Modelljahr 1940 – in den Genuss des ersten Automatikgetriebes der Automobilindustrie, die so genannte Hydramatic. Zu diesem Zeitpunkt war die Position der Marke innerhalb des GM-Imperiums bereits klar definiert: Oldsmobile hatte sich unterhalb von Cadillac und Buick, aber oberhalb von Pontiac und Chevrolet positioniert.

Mit der Mission, in punkto Design und Technologie am bahnbrechendsten zu sein: eine Art experimentelle Abteilung, in der Innovationen wie V8-Motoren mit hängenden Ventilen, Frontantrieb und Automatikgetriebe auf Marktakzeptanz, Zuverlässigkeit und Leistung getestet werden sollten, ehe sie bei anderen GM-Marken zum Einsatz kamen. Dennoch stand Oldsmobile bei den Käufern auch für vernünftige Autos, die für Komfort und Zuverlässigkeit standen.

Text: Massimo Delbò // Fotos: Max Serra // Bearbeitung: Thomas Imhof

In OCTANE #60 erfahren Sie mehr über den US-Hersteller.

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