Klassiker

Beatle-Lambo

Vorherige Story
Nächste Story

Dieser Lamborghini 400 GT war in der Londoner Savile Row geparkt, als die Beatles ihren allerletzten Auftritt hatten – auf einem Dach fünf Stockwerke höher. War er Paul McCartneys Auto? Mark Dixon hat den Mann persönlich gefragt.

Seine Stimme ist unverkennbar. Ein bisschen älter und näselnder, als wir sie von den vielen Interviews in Erinnerung haben, aber immer noch geprägt von dem charakteristischen Liverpooler Akzent. Ja, er ist es wirk- lich. Sir Paul McCartney, ehemaliger Beatle, Gründer der Wings und noch so viel mehr, ruft zurück, um über den Lamborghini 400 GT zu sprechen, den er in den 1960ern angeblich besessen hat.

Angeblich, weil nie bewiesen wurde, dass Paul – für Titel hat er keine Zeit – dieses Auto wirklich gehört hat oder gar gefahren ist. Das Internet ist voll von Behauptungen, dass es so war, aber alle basieren lediglich auf der Sichtung eines roten 400 GT vor dem Büro der Apple Corps Ltd. in der Savile Row im Londoner Stadtteil Mayfair während des berühmten Dachkonzerts der Beatles im Januar 1969. Öffentlich darüber gesprochen hat McCartney nie. Bis jetzt.

Für die beiden Scheinwerferpaare stand die Beleuchtung des 350 GT Pate.

Ich bin technisch nicht so bewandert, wie alle meine Roadies bestätigen können«, entschuldigt er sich zu Beginn unserer Unterhaltung. »Ich bin ursprünglich Aston Martin gefahren, hatte einen DB5 und einen DB6. Beide habe ich sehr gemocht. Danach habe ich mich für einen Lamborghini entschieden. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, aber ich denke, gegen Ende der 1960er. Januar 1968 (exakt die Zeit, zu der das Auto auf diesen Seiten zugelassen wurde) hört sich gut an. Er war rot, ein auffälliger Wagen. Ich bin überall mit ihm hingefahren.«

Hauptsächlich wohl in London. »Ja, einmal bin ich in Soho mit ihm liegengeblieben, auf einer dieser langen Straßen hinunter zur Wardour Street. Ich rolle so dahin und auf einmal bleibt er stehen, verreckt einfach … Ich bin allein, steige aus und fang an zu schieben, am helllichten Tag die Straße hinuntwer. Und dann ruft ein Straßenarbeiter zu mir herüber: ‚Schönes Auto, Paul! Schwierigkeiten?‘ Er machte sich ordentlich lustig über mich, aber ich hatte es wohl verdient.«

Die Luftaufnahme bringt die Form des Lamborghini bestens zur Geltung.

»Der größte Autofreak unter den Beatles war- George – er interessierte sich sehr für die Formel 1 –, aber eigentlich mochten wir alle unsere Autos. Man hat mich in allen meinen Autos für zu schnelles Fahren erwischt, aber wenn man einen Sportwagen hat, will man damit ja auch schnell fahren. Und wenn du eine lange Fahrt vor dir hast und in Eile bist, dann fährst du immer zu schnell. Einmal musste ich ein Jahr pausieren. Ich war von Bath nach London unterwegs und da gab es eine Umleitung. Aber ich kannte nur die eine Strecke und bin einfach frech weitergefahren. Irgendjemand muss sich meine Nummer notiert haben und ich bekam eine Anzeige.«

Von hinten sieht das Greenhouse aus wie nachträglich aufgesetzt.

Nicht so wohlwollend waren die Bobbys am 30. Januar 1969, als die Beatles auf dem Dach ihres Bürohauses in der Savile Row ein unangekündigtes Konzert gaben. Es war ihr erster gemeinsamer öffentlicher Auftritt seit August 1966 – und sollte ihr letzter sein. Als sich fünf Stockwerke weiter unten immer mehr Passanten einfanden, die meisten waren Angestellte und Arbeiter bei ihrer Mittagspause, wuchs bei der Polizei die Sorge um die Sicherheit der Zuschauer und ein sich anbahnendes Verkehrschaos. Sie verschaffte sich schließlich Zugang zum Dach, kurz darauf ging das Konzert nach 42 Minuten zu Ende.

Das Dachkonzert wurde filmisch von Michael Lindsay-Hogg in dem Dokumentarfilm »Let It Be« von 1970 festgehalten. Dazu hatte der Regisseur Kamerateams auf dem Dach und auf der Straße positioniert, die nicht nur das Konzert, sondern auch das Geschehen rundum einfingen. Eine der Kameras war dabei einige Sekunden lang auf einen roten Lamborghini 400 GT gerichtet, der unten auf der Straße geparkt war und dessen Fahrertür von einem schick angezogenen Aufpasser aufgehalten wurde. Unglücklicherweise ist das Bild im Bereich des Nummernschilds abgeschnitten, aber es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um das Auto mit der Nummer SLF 403F, also den hier abgebildeten Lamborghini.

Das Rätsel bleibt also auf quälende Weise ungelöst. War dieser 400 GT der Wagen, der während des legendären Dachkonzerts von 1969 fünf Stockwerke weiter unten geparkt war? Wer war der schick angezogene Mann, der mit einer Hand die Tür offenhielt, während die andere Teile seines Gesichts verdeckte? Könnte es der persönliche Assistent der Beatles, Peter Brown, gewesen sein? Hatte er den Wagen damals für McCartney zugelassen?

Eine neue Beweislage könnte sich demnächst auftun. Der britische Filmregisseur Peter Jackson arbeitet seit einiger Zeit an einer neuen Beatles-Dokumentation mit dem Namen »Get Back«, in der bisher unveröffentlichtes Material des Dachkonzerts zu sehen sein wird. Ursprünglich hätte sie schon im September 2020 herauskommen sollen, nun ist ihr Erscheinen für August 2021 geplant. Wer weiß, vielleicht sehen wir darin, wie McCartney mit dem 400 GT vorfährt. Auf jeden Fall aber werden wir uns die DVD ansehen und den Finger über dem Standbildknopf in Anschlag bringen.

Fotos Dean Smith // Bearbeitung Christel Flexney

Lesen Sie in OCTANE #52 die Story vom Beatle-Lambo 400 GT.

Noch mehr Geschichten über italienische Sportwagen finden Sie in diesen Ausgaben

Oder bestellen Sie sich OChttps://www.octane-magazin.de/produkt-kategorie/abos/TANE ganz bequem im Abo nach Hause

Vorherige Story
Nächste Story
0 Shares