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Lamborghini LM002: Waschechter Geländewagen statt modischem Boulevard-Allradler

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RM Sotheby’s bringt in Miami einen Lamborghini LM002 unter den Hammer, eines der wohl ungewöhnlichsten aber zugleich wegweisendsten Fahrzeuge aus Sant’ Agata Bolognese.

Nachdem Land Rover die ursprünglich amerikanische Fahrzeuggattung des SUV ab 1970 in Europa etabliert hatte und auch Mercedes im Laufe der Jahre immer luxuriöser ausgestattete Versionen seiner G-Klasse auf den Markt brachte, wagte sich rund anderthalb Jahrzehnte später erstmals eine klassische Sportwagenschmiede auf den Markt der komfortablen Offroader – Lamborghini startete 1986 die Serienproduktion des LM002 und kreierte damit ein Segment, in dem heute sogar Ferrari mit seiner neuesten Kreation Purosangue vertreten ist. Vom Lamborghini Urus ganz zu schweigen, der in die Fußsstapfen des LM002 trat, dank seiner alltagstauglichen Audi-Technik aber zu einem echten Verkaufserfolg wurde und viel ziviler auftritt.

Seiner kantiger Urahn kann es nicht verleugnen, aus welchem Grundgedanken heraus er entstanden ist: In den späten Siebzigerjahren wollte die US Army ihre altgedienten Jeep ersetzen, woraufhin das amerikanisches Unternehmen “Mobility Technology International” im Auftrag der Regierung mehrere Hersteller kontaktierte, um gemeinsam einen adäquaten Ersatz für die in die Jahre gekommenen Willys Jeeps zu entwickeln. Auch Lamborghini war dabei, obwohl die Italiener bisher nur reinrassige Sportwagen, Gran Turismos und Traktoren gebaut hatte.

Auch das Interieur des Gelände-Asses ist vergleichsweise rustikal ausgefallen.

Vielleicht war es genau das, wonach die Amerikaner suchten – eine Kombination aus der Leistungsfähigkeit der Mittelmotor-Sportler und der Robustheit der italienischen Landmaschinen. 1977 entstand teilweise in Kalifornien und teilweise in Sant’ Agata der Versuchsträger Lamborghini Cheetah, dessen 5,9 Liter großer und nicht einmal 200 PS starker Chrysler-V8 mit dem über zwei Tonnen schweren Geländewagen ziemlich überfordert war. Dazu kam, dass der Achtzylinder im Heck untergebracht war, was in einer alles andere als idealen Gewichtsverteilung und einem problematischen Handling resultierte. Die amerikanisch-italenische Kooperation war schnell Geschichte. Letztlich wurde der Cheetah aber zu einem der Wegbereiter des sogenannten “Humvee”, das in einer zivilen Version als Hummer berühmt wurde und bereits seit 1983 vom US-Militär eingesetzt wird.

Lamborghini sollte das Thema aber trotz dieser vermeintlichen Niederlage schnell wieder aufgreifen. In der Emilia-Romagna hatte man erkannt, dass ein leistungsstarker Geländewagen aufgrund seines massiven Auftretens auch bestens als Statussymbol taugt – vor allem im Nahen Osten. Deshalb wurde 1980 wurde eines neues Offroad-Projekt gestartet, das ein Jahr später bereits erste Früchte trug. Der Sportwagenbauer komplettierte den Prototypen LM001, der von einem 5,7 Liter großen V8 aus dem Hause American Motors angetrieben wurde. Beim seriennahen LMA, der 1982 auf dem Genfer Salon Premiere feierte, war das US-Aggregat bereits durch den hauseigenen Zwölfzylinder mit 4,8 Litern Hubraum und 375 PS enthüllt.

Dieser Traditionsmotor hatte auch die 1986 in Brüssel vorgestellte Serienversion des LM002 unter der Haube. Später bekam diese den nochmals deutlich kraftvolleren 5,2 Liter-V12 mit 455 PS implantiert, der bereits im Countach LP5000S seinen Dienst tat. Der Koloss brachte zwar üppige 2,7 Tonnen auf die Waage, die Fahrleistungen konnten sich aber trotzdem mehr als sehen lassen. In 8,2 Sekunden ging es von Null auf Hundert, während der Vortrieb erst bei 223 km/h ins Stocken kam. Das Gewicht machte sich dafür leider an der Zapfsäule bemerkbar – für Durchschnittsverbräuche jenseits der 30 Liter brauchte man keinen allzu schweren Gasfuß.

RM Sotheby’s bringt am 10 Dezember in Miami einen von nur 301 gebauten LM002 unter den Hammer. Das angebotene Exemplar wurde im Juni 1991 fertiggestellt, an wen es ausgeliefert wurde, ist heute aber nicht mehr bekannt. Ein Sticker des “Japan Lamborghini Owners Club” deutet aber darauf hin, dass der Wagen für eine gewisse Zeit in Fernost gelaufen sein dürfte. 2014 wurde der Offroader an einen in Kuwait ansässigen Sammler verkauft, der ihn immer noch besitzt, den LM002 in den letzten acht Jahren aber kaum gefahren ist. Aktuell stehen nur 8.931 Kilometer auf dem Tacho. Das Auktionshaus gibt das Estimate mit 195. bis 240.000 Euro an.

Text: Elias Holdenried // Fotos: RM Sotheby’s

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