Klassiker

Einmal Nordkap und zurück

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Der Flügeltürer ist für viele Menschen ein Traum. Aber selbst wer sich ihn leisten kann, wird kaum eine Urlaubsreise mit der kostbaren Ikone machen wollen. Ganz anders Marc und Tina Souvignier aus Luxemburg. Frei nach dem Motto “ein Fahrzeug ist zum Fahren da” planten sie eine 12.000 Kilometer lange Reise im 300 SL. Und dass sie ihr eigentliches Ziel nicht erreichten, hat den Fahrspaß nicht beeinträchtigt. So gar nicht.

Ohne jede Frage ist der Flügeltürer eine Ikone der Automobilwelt. Manchmal wird er sogar das “Jahrhundert-Auto” genannt: Das einmalige Konzept, die fortschrittliche Technik und das betörende Design machen ihn zu einem Ausnahmefahrzeug. Genauso sehen das auch Marc und Tina Souvignier.

Für sie ist der Mercedes-Benz 300 SL einfach das schönste Auto der Welt. Und 2018 konnten sie sich diesen Traum erfüllen. “Die ganze Technik, der Gitterrohrrahmen, die Flügeltüren und die Direkteinspritzung, das begeistert mich”, sagt der 63-jährige Marc. Und deshalb musste es für ihn auch der “wahre 300 SL” sein, als Flügeltürer und nicht als Roadster, der später vom Coupé abgeleitet wurde. Und so dauerte die Suche nach dem eigenen SL dann auch ein bisschen, bis er endlich vor der Haustür stand.


Tina und Marc aus Luxemburg haben sich mit dem 300 SL einen großen Traum erfüllt.

Nun ist der Traumwagen 300 SL nicht ganz billig. Eine Wertanlage, die meistens eher geschont denn gefahren wird. Doch das kam für Marc und Tina nicht in Frage. “Unser SL sollte sich nicht in der Garage die Reifen platt stehen! Er wurde gebaut, um zu fahren, und das sollte er auch tun”, sagt Tina. Und so entstand der Plan für eine ganz besondere Reise, die auf das Jahr 1959 zurückgeht. In die Zeit des Kalten Kriegs. Jenseits des Eisernen Vorhangs.

Damals fuhr der US-Fotograf David Douglas Duncan mit seinem eigenen Flügeltürer von Stuttgart nach … Moskau. Duncan hatte bereits 1955 für Daimler eine Bildreportage über das deutsche Wirtschaftswunder und den Supersportwagen gemacht. “Ghost of Sindelfingen” hieß die Geschichte, die den 300 SL in Amerika noch bekannter machte, nachdem er bereits die legendäre Carrera Panamericana III im Jahr 1952 gewonnen hatte.

Ein Jahr später setzte Duncan auch noch den neuen 300 SL Roadster in Szene und vereinbarte als Honorar einen schwarzen Flügeltürer für sich. Mit diesem “Black Torpedo” fuhr er dann 1959 quer durch Europa, durch die Tschechoslowakei und Polen in die Sowjetunion, um im Auftrag der Roten Zaren die Kremlschätze fotografisch festzuhalten.



Auf der berühmten Atlantic Ocean Road fuhren Marc und Tina Souvignier bis zum Nordkap.

Duncan parkte 1959 mitten auf dem Roten Platz, umringt von Hunderten Russen, die erstmals einen Flügeltürer sahen. Die Rückreise führte Duncan durch Finnland, über das Nordkap, Stockholm und Kopenhagen bis nach Südfrankreich zurück, wo er neben Pablo Picasso wohnte. Der den Flügeltürer ebenfalls wunderschön fand. Sein Sohn Claude Picasso übernahm den SL von Duncan nach 40 Jahren und 450.000 Kilometern.

Genau diese Reise wollten Marc und Tina 2021 wiederholen – in umgekehrter Reihenfolge, also erst Nordkap, dann Moskau. Doch in Corona-Zeiten war kein Visum zu bekommen. Der Traum vom Roten Platz platzte – aber nicht die Reiseplanung. “Wir haben gesagt, jetzt erst recht”, erzählt Tina. Nach dem Nordkap führt die Ersatzroute durch die baltischen Staaten, Polen, die Tschechische Republik und Kroatien bis nach Italien und über Sardinien wieder zurück in die Heimat. Fast 12.000 Kilometer. In sechs Wochen. Mit einem 66 Jahre alten 300 SL.

Text: Ulrich Safferling // Fotos: Marc und Tina Souvignier

In Octane #59 lesen sie den ganzen Bericht über die ungewöhnliche Reise.

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