Bick auf den sensationellen Scheunenfund, die Sammlung Baillon in Westfrankreich
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Scheunenfund der Superlative – die Sammlung Baillon

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Text Glen Waddington // Fotos Matthew Howell

ALS DIE NACHRICHT VOM »SCHEUNENFUND DER SUPERLATIVE« DURCH DIE MEDIEN GING, EINER »ENTDECKUNG, WIE DAS GRAB EINES PHARAO«, KLANG ES SPEKTAKULÄR, SENSATIONELL. SCHEUNEN SIND ES EIGENTLICH NICHT, IN DENEN SICH DIE AUTOS BEFINDEN, EHER SCHUPPEN UND GARAGEN. SIE SIND TEIL DES ANWESENS EINES HERUNTERGEKOMMENEN SCHLOSSES IN WESTFRANKREICH.

Die Sammlung ist eine Augenweide, jede Aufnahme ein Gedicht, schon allein weil diese automobilen Juwelen, obwohl vom Zahn der Zeit angenagt, so ungewöhnlich, vielfach auch rar sind. Dass das vor dem Jahreswechsel, Weihnachtsmänner in jeder Fußgängerzone, mit solcher Freude gefeiert wurde, ist nachvollziehbar. Geschenkt. Fast schöner als ein Märchen: Spannend bleibt, wie es dazu kommen konnte, dass knapp 100 Autos, relativ vermodert und vergessen, nun vom Schloss der Familie Baillon an die Öffentlichkeit geraten sind.

Darunter Juwelen wie ein Ferrari California Spider, mehrere Bugatti, ein Maserati A6 Gran Sport, ein Facel Vega Excellence, mehrere Vorkriegslimousinen von Talbot-Lago und Delahaye mit Sonderaufbauten und sogar ein vom verstorbenen Sammler selbstgebautes spektakuläres Cabrio. »Roger Baillon kaufte um 1950  das Schloss – und erste Autos für eine Sammlung, die er in einem Museum ausstellen wollte.« Ihm ging es insbesondere um französische, gern eigenwillige Kreationen.

Bick auf den sensationellen Scheunenfund, die Sammlung Baillon in Westfrankreich
Die Sammlung Baillon beherbergt unglaubliche Schätze, wie den Ferrari 250 GTB SWB California Spider (links).

Mit der Sammlung wuchs auf dem Schlossgelände die Menge an Gebäuden zur Unterbringung. Zwanzig Jahre später waren es um die 200 Autos, doch als Baillons Firma ihren größten Kunden verlor, schlitterte sie in den Konkurs. Bei Zwangsversteigerungen wurden 1979 und 1985 rund 60 und dann noch einmal 32 Autos versteigert, darunter ein Talbot T150 LM von 1938.

VERMODERT UND VERGESSEN, TROTZDEM FAST SCHÖNER ALS EIN MÄRCHEN

Der Transportunternehmer Roger Baillon starb Anfang dieses Jahrhunderts, sein Sohn Jacques Ende 2013. Dessen Kinder haben Artcurial kontaktet, um das Gros der verbliebenen Schätze auf der Pariser Rétromobile am 6. Februar 2015 zu verkaufen. Den Leuten des Auktionshauses Artcurial war sofort klar, dass sie diese Autos genau so präsentieren wollten, wie sie waren – mit dem ganzen Rost und den Spinnweben, die die Preziosen bedecken.

Die Stars der angedellerten und verstaubten Klassiker sind ein 1961er Ferrari 250 GT SWB California Spider und ein 1956er Maserati A6 Gran Sport. Der Facel Vega Excellence, eins von hundert Exemplaren der ersten Serie mit für Amerika gestylten Heckflügeln und – sehr wichtig – gut schließenden Türen ist ein Juwel für Connaisseure; ebenso der daneben geparkte Talbot-Lago T26, karosseriert von Jacques Saoutchik für den ägyptischen König Faruk. Der hatte das Auto bei seinen Aufenthalten in Paris für Ausfahrten benutzt. Im Kofferraum liegt immer noch ein ägyptisches Nummernschild. Der T26 war eins der ersten Autos der Baillon-Sammlung.

Inmitten braungrauer Wracks ein Panhard & Levassor Coupé mit Mittellenkung und abgedeckten Radausschnitten. Die Kreation von Roger Baillon, hinter Efeu versteckt: der Oiseau Bleu (zu Deutsch: der blaue Vogel). Die Farbe ist noch genauso gut zu erkennen wie die handwerkliche Qualität, mit der die Karosserieschmiede des Transportunternehmers zu Werke gegangen ist. Ein Zweisitzer –Amilcar wartet auf seine Rückkehr zu Ruhm und Glanz, während ein Bugatti Type 57 Ventoux sich eine Ecke mit einem eher handelsüblichen Renault 12 teilt.


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