Klassiker

Doppelter Espresso

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Der italienische Designer Giovanni Michelotti prägte mehr als ein Jahrzehnt lang das Karosseriedesign beim britischen Sportwagenhersteller Triumph. Auf der Basis des TR3 erschuf er den wunderschönen Italia 2000 – ohne Auftrag aus England.

Die Kulisse könnte aus einem Kalten-Krieg-Thriller aus den 1960er-Jahren stammen. Die Tiefgarage im Herzen Londons ist wie gemacht für den nächtlichen Austausch von Agenten. Keine Spur von sonnengetränktem Jet-Set-Glamour oder einer Örtlichkeit, an der schöne Menschen in ihren schönen Triumph Italia 2000 ihren schönen Beschäftigungen nachgehen. Doch den Besitzern der hier abgebildeten Autos ist das egal. Zu sehr sind sie damit beschäftigt, die Unterschiede zwischen ihren beiden Raritäten hervorzuheben. 

Lincoln Small und Marc Gordon sind Nachbarn in London, und trotzdem gerät das Nebeneinanderstehen ihrer Autos zu einer Entdeckungsreise. Marc Gordon besitzt den silbernen Italia, der vermutlich das achte von angeblich 329 gebauten Fahrzeugen ist, und der Kraftstoffeinfüllstutzen im Kofferraum befindet sich an einer anderen Stelle als bei dem anderen Triumph mit der Nummer 95. Die Rückleuchten sind anders angebracht und die Gürtellinie des weißen Wagens hat eine weniger ausgeprägte »Stufe« als die des Schwesterautos. Und so geht es noch eine Weile weiter. 

Wie so oft bei Karosserien gibt es auch bei den beiden Fahrzeugen von Marc Gordon (silberner Wagen) und Lincoln Small feine Unterschiede.

Der Enthusiasmus der beiden ist ansteckend, doch drängen sich zwei Fragen auf. Erstens: Wie haben zwei Exemplare einer äußerst seltenen Variante eines beliebten britischen Sportwagens, die damals auf der Insel nicht erhältlich war, ihren Weg nach Großbritannien gefunden? Zweitens: Wie sind diese Autos bei zwei Liebhabern gelandet, die kaum einen Steinwurf voneinander entfernt wohnen? Die Antworten auf diese Fragen sind leicht zu finden, die Geschichte des Italia zu entschlüsseln, ist ungleich schwieriger. Wie so oft bei diesen Dingen überschneiden sich das Gesicherte und das Vermutete. 

Man kann es kaum glauben, dass unter diesen Karosserien ein Triumph TR3 steckt.

Die Kooperation von Michelotti und Vignale in dieser Zeit umfasste alles vom Triumph Herald bis zum Standard Vanguard Phase III. Der Italia 2000, an dem sie gemeinsam arbeiteten, war jedoch so etwas wie ein Kuckucksei, denn er war ursprünglich die Idee des italienischen Triumph-Händlers Salvatore Ruffino gewesen. Der in Neapel ansässige Möchtegern-Automobilmogul erwarb 1957 eine Lizenzbaukonzession von Standard-Triumph, weil er überzeugt war, dass eine italienische Version des etwas kargen TR3A gut ankommen würde. 

Ruffino wandte sich an Michelotti, nachdem ein Vorschlag von Zagato ihn nicht überzeugt hatte. Der begnadete Michelotti zauberte rechtzeitig zum Turiner Autosalon 1958 ein Coupé auf Basis des Fahrwerks des Roadsters, das von der Carrozzeria Vignale gebaut wurde. 

Warum sich Triumph nicht mit diesem Modell schmücken wollte bleibt komplett unverständlich.

Der Italia-Prospekt hob das gemischte Erbe des Wagens vollmundig hervor: »Italienische Karosserie vom Feinsten, britische Sportwagentechnik vom Feinsten«, hieß es da. Und weiter: »Ruffino SpA Industria Costruzione Automobili präsentiert das Italia 2000 Coupé, ein neues Gran-Turismo-Auto von Weltklasse. Entworfen von Giovanni Michelotti, einem der weltweit führenden Designer, und gebaut von Alfredo Vignale, einem Meister seiner Zunft, verfügt das Italia 2000 Coupé über das weltberühmte Chassis und den weltberühmten Motor des Triumph TR3A. Seit seinem Erscheinen auf der internationalen Bühne loben Fachleute, Sportwagenliebhaber und die breite Öffentlichkeit dieses brillante Zusammenspiel von unvergleichlicher Linienführung und herausragenden Leistungsdaten.« 

Die Vermarktung als »Italia 2000« anstelle des ursprünglichen Namens »Triumph Italia« zeigte die Richtung an. Die einzigen äußeren Hinweise auf die britische Marke waren die »TM Triumph«-Embleme an den Heckkotflügeln. TM stand für »telaio e motore«, also Fahrwerk und Motor. Die Vignale-Logos waren unterdessen wesentlich kleiner als an den Prototypen. Der Erfolg des Wagens wurde jedoch vereitelt, bevor dieser überhaupt aus den Startlöchern kam. 1961 übernahm Leyland Motors das Unternehmen Standard-Triumph – und läutete damit den Untergang des Italia ein. 

Text Richard Heseltine // Fotos Charlie Magee // Bearbeitung Christel Flexney

Lesen Sie in OCTANE #56, warum der Italia 2000 nicht weiter gebaut werden konnte.

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