Klassiker

Der Biss des Spyders

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Dieser Werks-Porsche 718 RSK fuhr 1958 unter anderem in Le Mans, brachte aber seinen Fahrern dort und auch danach wenig Glück. Kein Grund für John Simister, nicht seine Chance zu nutzen.

Manchmal, wenn ein berühmtes und wertvolles altes Rennauto – vor allem wenn es ein Porsche ist – eine besondere Geschichte zu erzählen hat und die Auktionshäuser so hohe Werte andeuten, dass die Nulltaste auf der Tastatur zu kleben scheint, ist es besser, den Kopf von all dem Hype freizumachen. Denn dann kann man sich wieder ganz auf das Auto selbst besinnen. Wie es aussieht. Wie es sich anfühlt. Wie es klingt. 

»Kannst du die Drehzahl ein bisschen drosseln oder vielleicht nicht so stark beschleunigen?«, fragt mich James Turner von Sports Purpose, ein Anbieter von hochwertigen historischen Porsche für gut betuchte Enthusiasten. Grund: Das wunderbare, wohlklingende Heulen eines lemminghaften Vierzylinders hat die Nadel des Geräuschmessers bei Bicester Heritage ein wenig über die gesetzlich erlaubte Lärmobergrenze getrieben.

Es ist eindrucksvoll, den 718-004 heute zu fahren. Doch damals war er kein Siegertyp, irgendetwas klemmte immer vor dem Ziel …

Also tue ich, wie geheißen, zumindest ein bisschen. Zumal es noch einen anderen Grund für viel Feingefühl im rechten Fuß gibt: Der originale Carrera-Motor von Porsche mit vier obenliegenden Nockenwellen und dem akribisch abgestimmten Königswellenantrieb ist von solcher Seltenheit und mystischen Magie, dass ich wirklich nicht derjenige sein möchte, der ihn in die Luft jagt. 

Das Auto, in dem dieser Motor mittig hinter dem Fahrer eingebaut ist, ist ein Porsche 718. Ehe Porsche den RSK auch Privatteams und -fahrern anbot, wurden zunächst Prototypen und dann einige Exemplare für Werkseinsätze gebaut. Unser RSK-Spyder mit Chassisnummer 718-004 ist Baujahr 1958 und gehört zur zweiten Serie der Werkswagen, deutlich zu erkennen an der zur Aufnahme des Reserverads verlängerten Bugpartie. Den Werks-Chassis 002 bis 006 vorausgegangen waren zwei Prototypen mit den Bezeichnungen 718-001 und 718-1. Letztere wiesen eine erste Abweichung von der bis dato von Porsche verwendeten und noch auf den Käfer zurückgehenden Vorderradaufhängung auf. 

Der kleine Porsche sitzt auf seinen Hinterrädern, mit denen er sich in die nächste Kurve katapultiert.

Porsche setzte bei den 24 Stunden von Le Mans im Juni 1958 neben zwei 550 A drei dieser überarbeiteten RSK ein, darunter unseren Fotostar. Am Steuer von Chassis 004 mit der Startnummer 30 wechselten sich Richard von Fran- kenberg und der französische Rallye-Meister Claude Storez ab. Anstelle der ursprünglichen 1498-ccm-Motoren, von denen einer (aus einem 550 A) heute im 004 steckt, baute Porsche in zwei der drei RSK 1587-ccm-Aggregate ein, damit sie in der 2,0-Liter-Klasse starten konnten. Das nenne ich gesundes Selbstvertrauen. 

Klein, flach und unglaublich laut gibt sich der 718 RSK auf der Rennstrecke.

Leider war ausgerechnet 718-004 nicht vom Glück verfolgt. Früh haderten die Fahrer mit Motorproblemen, ehe ihr Porsche in der neunten Stunde bei unterirdischen Wetterverhältnissen von einem Ferrari in einen Erdwall gedrängt und zur Aufgabe gezwungen wurde. Wenigstens kam der Ölkühler auf der Motorhaube seiner Aufgabe nach, wie man an der bis heute sichtbaren Blasenbildung auf der Oberfläche der Startnummer 30 erkennen kann. 

Anfang 1959 wurde der RSK nach dem Ende einer trostlosen Werkskarriere an Anton von Döry verkauft. Ein ungarischer Aristokrat, der Europa nach dem Zweiten Weltkrieg in Richtung Argentinien verlassen hatte und nun dort als Porsche-Importeur und talentierter Herrenfahrer aktiv war.

In den folgenden Jahren stand der Spyder versteckt in einem Bootshaus, bis eine Überschwemmung eine Bergung erzwang. Nun heckten von Döry und mitschuldige Zollbeamte einen Plan aus, um den Wagen gut getarnt nach Deutschland zu exportieren. Dazu deklarierte man das in der Transportkiste verstaute Modell nicht als Cisitalia, sondern als jenen RSK 718-004, der im Januar 1960 nach Argentinien eingeführt und nun »zur Reparatur« nach Deutschland zurück- geschickt würde. Der Trick ging auf – und seitdem steht der Cisitalia im Porsche-Museum. 

Fotos Alex Tapley // Bearbeitung Thomas Imhof

Lesen Sie in OCTANE #56, wie die Historie des Porsche 718-004 weiter gegangen ist.

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