Mercedes-Benz W 125 zurück auf dem Großglockner
Klassiker

Der Star vom Großglockner

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Text Berthold Dörrich // Fotos Daniel Breun

ÜBER 70 JAHRE NACH DEM LETZTEN BERGRENNEN HEULTEN DIE RENNMOTOREN AM GROSSGLOCKNER WIEDER AUF – MIT DABEI DER STAR VON DAMALS, DER ORIGINALE MERCEDES-BENZ W 125

Was für ein Bergrennen! Die 12,6 Kilometer lange Strecke, die sich ohne Leitplanken von 1145 bis auf 2428 Höhenmeter hinaufschlängelt, war und ist per se spektakulär. 1939 holte sich Hermann Lang im W 125 mit der Startnummer 128 unter widrigsten Bedingungen den Gesamtsieg am Großglockner und die Deutsche Bergmeisterschaft für Rennwagen. Das große Rennrevival fand dann 2012 statt. Der erste Großglockner Bergpreis der Neuzeit brachte achtzig ausgesuchte automobile Preziosen zusammen. Das absolute Highlight des Rennens war hierbei der originale W 125, den Mercedes- Benz Classic 73 Jahre nach dem Silberpfeil-Sieg an den Berg zurückgebracht hatte.

Der Sommer 1939 war heiß, ungewöhnlich heiß. An den Stränden Europas herrschte Hochbetrieb. Die Sommerfrischler in den Alpen genossen die Kühle der Berge. Die Menschen wollten leben und lieben, arbeiten und sich amüsieren. Aber Europa brodelte – die Gefahr eines heraufziehenden Krieges lag latent in der Luft. Österreich hatte 1938 den Anschluss ans Deutsche Reich gefeiert und das Sudetenland war „heim ins Reich“ geholt worden. Dunkle Wolken lagen über dem Kontinent – und auch am Großglockner hatte sich Anfang August schlechtes Wetter zusammengebraut. Denkbar schlechte Voraussetzungen für ein Bergrennen auf einer weitgehend geschotterten Strecke, die sich von 1145 Meter Höhe bis auf 2428 hinaufschlängelt über eine Distanz von 12,6 Kilometern mit vierzehn Kehren. Ohne Leitplanken und sonstige Sicherheitsmaßnahmen wohlgemerkt.

Großglockner, 1939: Hermann Lang gewinnt mit dem Mercedes-Benz W 125 die Deutsche Bergmeisterschaft für Rennwagen.
1939 holte sich Hermann Lang mit dem W 125 den Gesamtsieg am Großglockner.

Schon die Trainingstage waren verregnet, und am Renntag, dem 8. August, wechselten sich Sonne, Regen, Gewitter und Nebel so schnell ab, dass an eine sinnvolle Rennplanung nicht zu denken war. Während die ersten Läufe der Rennwagenklassen noch bei gutem Wetter stattfanden, meldeten die Wettermelder am Berg für den zweiten Lauf zum Teil Nebel mit Sichtweiten von zwanzig Meter zurück ans Fahrerlager im Tal. Die Großglockner Hochalpenstraße war wenige Jahre zuvor – am 3. August 1935 – eröffnet worden.

Jochen Mass mit dem Mercedes-Benz W 125 auf dem Großglockner.
Auf den Spuren von 1939: Jochen Mass jagte den W 125 durch die österreichischen Serpentinen.

DUNKLE WOLKEN LAGEN ÜBER DEM KONTINENT – UND AUCH AM GROSSGLOCKNER HATTE SICH ANFANG AUGUST SCHLECHTES WETTER ZUSAMMENGEBRAUT. MERCEDES BENZ CLASSIC HATTE 73 JAHRE NACH DEM SILBERPFEIL-SIEG DEN ORIGINALEN W 125 AN DEN BERG ZURÜCKGEBRACHT. EIN HIGHLIGHT!

Marcus Herfort, Initiator der Classic Days auf Schloss Dyck, war der Aufforderung gefolgt, „doch mal was in den Bergen zu machen“, und hatte die Veranstaltung quasi im Alleingang mit der Großglockner Hochalpenstraßen AG gestemmt. An den Veranstaltungstagen hielt sich die Zuschauerzahl völlig zu Unrecht in argen Grenzen. Andererseits dürfte das dem Veranstalter die eine oder andere Sorgenfalte erspart haben, denn eine 13 Kilometer lange Bergstrecke für Teilnehmer und Zuschauer sicher abzusperren ist alles andere als trivial! Vielen Urlaubern in der Region ist damit ein echtes Highlight entgangen, an dessen Spitze eindeutig der originale W 125 stand, den Mercedes- Benz Classic 73 Jahre nach dem Silberpfeil-Sieg an den Berg zurückgebracht hatte. Am Steuer diesmal Jochen Mass, seinerseits ja auch nicht gerade für einen zurückhaltenden Gasfuß bekannt. Aber beim ersten Großglockner Bergpreis der Neuzeit ging es ja nicht um Bestzeiten.

ALS MASS DEN ACHTZYLINDER ABGESTELLT HATTE, WAR DIESE STILLE FÜR EINEN KURZEN MOMENT WIEDER DA, DIE RUHE NACH DEM STURM.

Es ist schwer zu sagen, was eindrücklicher war: die ersten Meter nach dem Start, als Jochen Mass den Silberpfeil, zuerst noch ein wenig hustend, aber dann mit einem endlos langen Wroom auf der ersten Geraden in Richtung Gipfel trieb und dabei – schon hinter den ersten Kurven verschwunden – einen unverkennbaren Abgasduft im Startraum hinterlassen hatte. Oder vielleicht doch der Blick vom Ziel am Fuscher Törl hinab auf die letzten Serpentinen und das schneebedeckte Großglocknermassiv, das seinen Schatten langsam auf die Straße zu werfen begann. Bis dann, ganz weit unten, aus dem Tal herauf ein dumpfes Grollen zu hören war, das als Echo zwischen den Felswänden hin und her wogte. Lange bevor der silberne Bolide sichtbar wurde und Kehre um Kehre zum Ziel stürmte.

Still war es plötzlich geworden unter allen, die der Ankunft des Wagens entgegenfieberten, um ihn dann mit brausendem Applaus zu empfangen. Als Mass den Achtzylinder abgestellt hatte, war diese Stille für einen kurzen Moment wieder da, die Ruhe nach dem Sturm. Die Greifvögel zogen wieder ruhig ihre Runden über dem Tal. Die Hitze des Motors ließ die frische Bergluft über der Motorhaube flirren wie an einem heißen Sommertag. Und als er dann, die Lederkappe abgenommen, auf einer Bank neben dem Wagen Platz nahm, waren sie auf einmal für alle sichtbar eins: Man, Mountain & Machine.


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