Stefan Sielaff, Director of Design, Bentley
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Corona-Call mit Stefan Sielaff, Director of Design, Bentley

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Wollten Sie nicht immer schon mal einen ganz kleinen, heimlichen Blick in die private Arbeits- und Lebenswelt der Designer, Marketing-Chefs und CEOs der bedeutenden Automobilhersteller werfen? Voila, Corona macht’s möglich!

Gerade bei Designern, Marketing-Chefs und CEOs vermutet man ja eine gewisse berufsbedingte Achtsamkeit im Umgang mit dem Eigenimage. War das bisher vor allem durch Kleidung, Stil und Accessoires bestimmt, so kommt seit Corona eine ganz neue Facette dazu: Die Videokonferenz Kamera am Laptop erlaubt uns eine ganz neue Form der Intimität – einen Blick ins private Homeoffice. Zugegebenermaßen nur ein Schlüssellochblick. Aber ist es nicht gerade dieser beschränkte Blickwinkel, der den Blick durchs Schlüsselloch so interessant macht? Weil uns damit – je nach Perspektive – nur ein kleiner Ausschnitt preisgeben wird und Raum für Deutung, Vermutungen, Fragen offen bleibt:

Was schließen wir aus dem Bild, das uns unser Video-Gegenüber mit seiner Laptop-Kamera freigibt? Wie mag es wohl im Rest der uns verborgen bleibenden Lebenswelt aussehen? Was hat ihn motiviert, sich in dieser Umgebung vor der Kamera zu präsentieren? Gedankenlosigkeit, nichts? Oder wurde bewusst positioniert, zurechtgerückt, vielleicht sogar inszeniert? Sollen uns einzelne Details etwas sagen?

Genügend Raum für Fragen, die wir Designern, Marketing-Chefs und CEOs einfach mal gestellt haben. Den Anfang machen wir mit Stefan Sielaff, seit 2015 Director of Design bei Bentely Motors in Crewe, UK.

Stefan Sielaff, Director of Design, Bentley
Stefan Sielaff, Director of Design bei Bentley, sitzt in seinem Homeoffice vor einem großen Bild mit dem Titel “Blau ist rund”, das er während seiner Zeit in Barcelona selbst gemalt hat.

Was inspiriert Sie, wenn Sie in Zeiten wie diesen im Homeoffice sitzen?

In der Tat ist ein Homeoffice für Designer nicht wirklich ideal. Besonders wenn ein Design Team es gewohnt ist, wie eine Jazz Band zusammenzuspielen. Das ist für mich ein schoenes Bild um das Zusammenwirken zu erklären. Die Art und Weise , wie sich jedes Team Mitglied bei einer Jam Session gegenseitig inspiriert, fehlt bei dieser indirekten Arbeitsweise gänzlich. Trotzdem, um auch in der momentanen Situation positiv zu bleiben: Als kreative Menschen entwickeln wir eine grosse Kraft , wenn wir gemeinsam auf Daten von Exterior, Interior , Farbe und Ausstattung und UX Entwürfen während einer Präsentation schauen. Das gemeinsame Diskutieren während einer  Video Conference generiert durchaus eine gewisse Dynamik , die uns auch wieder in unserer Kreativität voranbringt. Zusätzlich skizziere ich zwischendurch nur für mich selbst, was mir hilft, neue Ideen zu entwickeln. Das hat dann zeitweilig eine kontemplative Note. 

Was fehlt Ihnen, oder was geht am heimischen Schreibtisch besser, als im Büro?

Auf alle Fälle vermisse ich den direkten Austausch mit meinem Team im Studio und auch die klassischen Design Aktivitäten , wie sie sich z. B. Um die Claymodelle herum abspielen, oder die Diskussionen an den Datenmodellen an der Powerwall. Auch Reisen, was eine grosse Inspirationsquelle für mich ist, fehlt mir sehr. Zusätzlich ist das ständige Sitzen für mich ungewohnt. An normalen Tagen bei Bentley, bin ich ständig unterwegs, um an sehr verschiedenen Orten in der Fabrik, im Marketing oder bei den Kollegen in der technischen Entwicklung zu sein. 

Die positive Seite von Video Calls ist das Gefühl, relativ simultan einen sehr hohen Level an Informationsaustausch mit relativ vielen Mitarbeitern haben zu können. Der gemeinsame Nenner ist dadurch sehr hoch. 

Was tun Sie, um sich das Arbeiten in dieser Situation angenehm zu machen?

Ich mache jeden morgen sehr früh meine Jogging und Gymnastik Übungen, um das Defizit an Bewegung und frischer Luft tagtäglich kompensieren zu können. Was zusätzlich eine schöne Abwechslung darstellt, ist die Moeglichkeit , während des langen und ungewohnt anstrengenden Tages durch das Fenster gegenüber meines Arbeitstisches in einen Garten sehen zu können, und der Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt jetzt in der Frühlingssonne zuzusehen. Last but not least sehe ich zwischendurch meine Frau, die auch im home office ist.  Dies passiert natürlich an normalen Arbeitstagen nie und stellt eine echte Musterunterbrechung und Bereicherung dar. 

Was wollen Sie uns mit dem Bildausschnitt sagen, den sie uns mit ihrer Laptop-Kamera freigeben? Was sehen wir da im Hintergrund?

Was man hinter meinem Arbeitstisch sehen kann , ist ein sehr großes Gemälde mit dem Namen “Blau ist rund”. Dieses und zwei sehr ähnliche Gemälde habe ich sozusagen als kleine Serie im selben Ausfuehrungsstil aber in sehr unterschiedlichen emotionale Ausdrucksweisen vor 25 Jahren auf die Leinwand gebracht. Ich habe damals mit meiner Familie in Sitges / Barcelona gelebt. Es war eine wunderbare Zeit und das Leben in Strandnähe, die katalanische Kultur und das gute Wetter und Licht an vielen Tagen des Jahres waren natürlich sehr inspirierend. 

Was geben diese Dinge von Ihrer – bisher vielleicht unbekannten – privaten Persönlichkeit als Videokonferenz-Gegenüber frei? 

Ich nutze immer wieder solch spezielle Momente, um zu malen. Es ist ein wilder und sehr intensiver Prozess, in dem ich meinen Gefühlen spontan freien Lauf lassen kann. Das zeigt eine sehr private Seite von mir und es gibt wenige Menschen die diese Seite kennen. Auch spreche ich normalerweise nicht darüber. Aber in den neuen Home Office Tagen teilt man dann doch diese unbekannten Facetten ganz automatisch innerhalb einer Video- Conference. 

Die Interview-Fragen stellte OCTANE-Herausgeber Berthold Dörrich

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