McLaren M6B fahrend auf Rennstrecke
Legenden & Ikonen

Bruce McLarens großer Coup

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 Text Berthold Dörrich // Fotos Katja Dalek, McLaren Trust, Petrolpics

FERRARI UND MASERATI HABEN ES VORGEMACHT. VOR GUT 40 JAHREN LEGTE AUCH BRUCE MCLAREN MIT DEM BAU DES KUNDEN-RENNERS M6B DEN GRUNDSTEIN FÜR DIE PRODUKTION AUSSERGEWÖHNLICHER SPORTWAGEN WIE DEM MP4-12C ODER DEM NEUEN P1

Gibt es ein todsicheres Rezept, um im Auto zum Helden zu werden? Ich fürchte ja. Und es liest sich ziemlich einfach: »Be cool. Be brave. Die young.« Spätestens seit James Dean 24-jährig mit seinem Porsche Spyder ins Jenseits raste – und so zum dramatischen Helden nachfolgender Generationen wurde. Eine halbe Generation später hießen die Beteiligten Jim Clark und Lotus. Alter: 32.

Nicht dass der frühe Tod bei Rennfahrern in dieser Zeit etwas Ungewöhnliches gewesen wäre. Im Gegenteil – man fuhr und lebte Vollgas – wer konnte schon sicher sein, nach dem nächsten Rennwochenende bei der Party noch dabei sein zu können? Und je größer die Gier nach Geschwindigkeit und dem nächsten Sieg wurde, desto verwegener wurden die Konstruktionen, die die Hersteller den Speed-Junkies zur Verfügung stellten.

Bruce McLaren schraubt an seinem Rennwagen
Bruce McLaren war ein begnadeter Rennfahrer – aber vor allem ein kniffeliger Konstrukteur und schlauer Geschäftsmann: Sobald er mit seinem Partner einen Sieg einfuhr, bot er diesen Wagen leicht modifiziert Privatkunden an.

Colin Chapman war nonstop auf der Suche nach der noch genialeren, der noch leichteren, also schnelleren Konstruktion – die dann leider bei Vollspeed immer wieder mal ihre Belastungsgrenze überschritt. Auch Enzo Ferrari soll gerne auf Kosten seiner Fahrer experimentiert haben (Wie brüllte er, angeblich und melodramatisch, als Lauda seine Kündigung einreichte? »Fahrer verlassen Ferrari, weil sie gefeuert werden oder liegend … « – sprich: letzter Stopp ist im Leichenschauhaus).

Ganz wenige dieser mutigen Fahrer schafften es, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Denn natürlich war der Bau eines eigenen Rennwagens keine ganz triviale Angelegenheit. Vor allem, wenn man damit auch noch Siegchancen haben und das Unterfangen am Ende auch wirtschaftlich durchstehen wollte. Einer der ersten Rennfahrer, der nicht nur seinen eigenen Helm und Overall zu einem Grand Prix mitbrachte, war Jack Brabham. 1963 trat er in der Formel 1 mit einem eigenen Rennwagen an, gewann, baute einen erfolgreichen Rennstall auf – und überlebte auch noch.

»BE COOL. BE BRAVE. DIE YOUNG.«

Brabham war es auch, der den 21-jährigen Neuseeländer Bruce McLaren 1958 als Fahrer ins Cooper Werksteam holte. Bruce McLaren wurde zur Legende, McLaren zu einem Markennamen in aller Welt. Wie? Zunächst mit Erfolgen in seinen eigenen Sportwagen. Vielleicht auch durch seinen frühen Tod in einem dieser Fahrzeuge, das sich bei Testfahrten auf der Lavant-Gerade in Goodwood in seine Einzelteile auflöste, mangels Aerodynamik spektakulär abflog und an einem aus dem Krieg stehen gebliebenen Bunker zerschellte. Bruce McLaren war da gerade mal 33 Jahre alt.

McLaren M6B und McLaren MP4-12C stehend
Fast vierzig Jahre liegen zwischen ihnen: Der McLaren M6B (links) ebnete den Weg für außergewöhnliche Sportwagen wie den McLaren MP4-12C (rechts).

Bruce McLaren war ein begnadeter Rennfahrer, zugleich ein genialer Konstrukteur und gewiefter Geschäftsmann. Und nirgends war diese Kombination erfolgreicher als in der amerikanischen CanAm-Serie – von den einen als zunächst weitgehend regelfreie »Formula unlimited« einiger verrückter Amis verspottet. Von anderen wegen ihrer ungeahnten technischen Möglichkeiten – und nicht zuletzt der attraktiven Preisgelder – geliebten Rennserie. Eine ideale Plattform also für einen hungrigen jungen Mann wie Bruce McLaren.

Unvergessen sind die Flügelmonster von Chapparal, die kleinen Sportflugzeugen zur Ehre gereicht hätten. Oder die gewaltigen Ami-V8-Big-blocks mit bis zu neun Litern Hubraum und nahezu 800 PS. Aber selbst so aberwitzige Konstruktionen wie ein Fahrzeug mit Allradantrieb und vier unabhängigen, luftgekühlten Rotax-Motoren hatte hier freie Bahn. Als Porsche 1972 dann mit dem 917 die Turbo-Ära der CanAm-Serie einläutete, waren die heißen Zeiten fast schon wieder vorbei, zwei Jahre später war im Zeichen der Ölkrise endgültig Schluss.

Üppige Preisgelder waren ein Grund für Bruce McLaren, sich in dieser Serie zu betätigen. Ein weiterer war aber sicher, dass die Serie für viele vermögende amerikanische Privatfahrer interessant war, die dafür natürlich konkurrenzfähige Autos benötigten. Anstatt aber wie andere nur die abgelegten Werkswagen zum Verkauf anzubieten, verfolgte Bruce McLaren von Anfang an eine andere Geschäftsstrategie.

Sobald er und sein Teamkollege Denny Hulme in ihren orangefarbigen Rennern überlegene Siege eingefahren hatten, wurden leicht modifizierte Wagen als Kunden-Versionen zum Verkauf angeboten, mit denen man auch als Privatier mal die Großen ärgern, aber am Ende nie wirklich um den Sieg mitfahren konnte.

MIT GERADE MAL 33 JAHREN STARB BRUCE MCLAREN BEI EINER TESTFAHRT. DAS KAPITEL FORMEL 1 HAT ER NICHT MEHR MITERLEBT

Diese Kundenversionen, begonnen mit dem M6B von 1968, entstanden im Übrigen nicht in der eigenen Werkstatt im südenglischen Colnbrook. Bruce McLaren, ganz cleverer Geschäftsmann, übertrug die Produktion an Trojan Racing in Croydon. In fast zehn Jahren wurden bei Trojan über 200 McLaren-Kundenautos gebaut, während sich McLaren selbst weiter auf die Einsätze des eigenen Rennteams konzentrieren konnte.

Der M6B war eine nahezu identische Replica der M6A Teamcars, mit denen Bruce und Denny 1967 fünf von sechs CanAm-Rennen gewonnen hatten. McLaren selbst hatte für die 68er-Saison mit dem M8A ein praktisch komplett neues Werksauto gebaut und damit – Krönung der »Bruce & Denny Show« – jedes einzelne CanAm-Rennen gewonnen. Nach dem Tod von Bruce McLaren wurde das Team unter der Leitung von Bruce’ Partner Teddy Mayer weitergeführt und verkaufte bis Mitte der 1970er-Jahre Kundenversionen seiner Rennsportwagen, die bei Trojan gebaut wurden. Nach dem Ende der CanAm-Serie konzentrierte sich das Team mehr und mehr auf die Formel 1.


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