BMW 700 RS stehend
Klassiker

BMW 700 RS – Was den Kleinen so besonders macht

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 Text Christel Flexney und Mike Burroughs // Fotos Mike Burroughs

VOM BMW 700 RS GIBT ES NUR ZWEI EXEMPLARE – DIE FÜR UMSO MEHR STEHEN: SIE SIND DIE ERSTEN REINRASSIGEN RENNWAGEN VON BMW NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG UND VIELLEICHT RETTER DER MARKE. AUF JEDEN FALL SIND SIE EIN MEILENSTEIN IN DER RENNHISTORIE VON BMW.

Für die Sammler klassischer Automobile will es etwas heißen, wenn ein Modell nur zweimal gebaut wurde. Wenn das Auto dann auch noch ein Rennwagen ist und dieser Rennwagen Siege und Titelgewinne verzeichnen konnte, dann kann sich der Sammler ganz besonders glücklich schätzen. Genau das tut der Amerikaner Rey Rivera. Hinter den unauffälligen Toren seiner abgelegenen Werkstatt in Orange County in Südkalifornien verbirgt sich eine Ansammlung klassischer BMW-Fahrzeuge, die so manch andere Kollektion in den Schatten stellt. Dutzende von Autos – von der normalen Reiselimousine bis zum Renncoupé – stehen Kotflügel an Kotflügel und jedes bisschen Platz da – zwischen wird von einer ebenso beeindruckenden Sammlung von Einzelteilen beansprucht.

Rivera ist ein energischer Mann, der seinem Hobby mit überschwänglicher Begeisterung frönt. Sein jüngstes Stück – der hier abgebildete BMW 700 RS – dürfte aber an Exklusivität kaum zu überbieten sein. Dabei wäre dieser schnuckelige Rennwagen fast gar nicht gebaut worden. Oder er wäre gebaut worden, hätte aber anders geheißen – etwa Mercedes RS 700. Denn seiner Entwicklung gingen Ereignisse voraus, deren Ausgang Ende 1959 niemand vorhersehen konnte.

Motor des BMW 700 RS
Der 0,7 Liter große Zweizylinder-Boxer leistet circa 75 PS bei 8000 U/min. Tempo 100 erreicht er nach 12,4 Sekunden, das Ende der Fahnenstange ist bei rund 185 km/h erreicht.

BMW hatte sich mit einer verfehlten Modellpolitik an den Rand des Ruins gebracht. Die edlen Oberklassenlimousinen – im Vergleich zur Konkurrenz aus Untertürkheim überteuert – entwickelten sich immer mehr zu Ladenhütern. Am anderen Ende der Produktpalette lief zwar die winzige Isetta zur Hochform auf, doch zwischen Barockengeln und Knutschkugeln klaffte eine große Lücke. Was die Menschen wollten, war ein schickes Mittelklasseauto, das Komfort bot, aber bezahlbar war. Die BMW-Geschäftsführung musste sich etwas einfallen lassen, wollte sie den Bankrott abwenden.

BMW BENÖTIGTE DRINGEND EINEN SCHICKEN MITTELKLASSEWAGEN, UM SICH VOR DEM UNTERGANG ZU RETTEN – ZEIT FÜR DEN BMW 700

Der BMW 700 basierte zum Teil auf der großen Isetta, dem BMW 600, hatte jedoch als erster BMW eine selbsttragende Karosserie. Mit einem gebläsegekühlten 0,7-Liter-Zweizylinder-Boxermotor im Heck und der schnörkellosen Karosserie war der 700 nicht nur freundlich zum Geldbeutel, sondern auch ein echtes Fahrerlebnis. Beides trug erheblich zur Verbesserung der Auftragslage bei BMW bei.

BMW 700 RS fahrend, historische Aufnahme
Nur zwei Exemplare des BMW 700 RS wurden gebaut – das eine gehört dem Liebhaber Rey Rivera aus Kalifornien und das andere bereichert seit 1973 das BMW-Museum in München.

Von Beginn an war der BMW 700 nicht nur Straßenwagen, sondern in der Coupé-Version insbesondere ein scharfer Renner. Er kam bei Rallyes, speziell bei Berg- und Rundstreckenrennen, zum Einsatz, hat viele namhafte Rennfahrer als Piloten erlebt und war auch für Privatfahrer erschwinglich. Diverse Erfolge leiteten bei BMW die Entwicklung spezieller Rennversionen ein. 1960 entstand der BMW 700 GT, ein Jahr später der 700 RS. Bei Letzterem handelte es sich um »einen Versuch der Techniker von BMW, die Grenzen der Fahreigenschaften des BMW 700 in höheren Geschwindigkeitsbereichen zu erkunden«, wie in einer Pressemitteilung von 1961 verkündet.

Das Projekt stand unter der Ägide von Alexander von Falkenhausen, der 1954 die Rennsportabteilung übernommen hatte und seit 1957 die Motorenentwicklung leitete. Realisiert wurde das Projekt im Schulterschluss mit Ludwig Apfelbeck, der schon zuvor eine erste leistungsgesteigerte Version des 700er Motors entwickelt hatte, und Heinz Eppelein, Rennfahrer, aber auch Leiter der Fahrwerksversuchsabteilung.

DER BMW 700 RS MUSS IN LIEBHABERHAND BLEIBEN UND DARF NICHT DEN WEG ZURÜCK ZU BMW FINDEN – EGAL, WAS SIE AUCH BIETEN. SO DIE BEDINGUNG DES VORBESITZERS

Äußerlich hat der 700 RS kaum Ähnlichkeit mit dem Serienauto, aus dem er hervorging – genauer gesagt, ist seine Silhouette einzigartig in der BMW Modellpalette. Ein besonderes Highlight des Motors mit der internen Bezeichnung M107 ist die Ventilsteuerung über eine Königswelle mit Kegelradantrieb zu den Einlassnockenwellen. Der Antrieb der Auslassnockenwelle erfolgt über eine Kette – was dem Motor die Bezeichnung »Kettenhund« einbrachte. Das Motorgehäuse wurde unverändert vom 700 übernommen, ebenso die Ölpumpe, der Ölkühler, das Lüfterrad und die Benzinpumpe. Da der Motor aber im Gegensatz zum Serienwagen vor der Hinterachse sitzt, wurde das Getriebegehäuse für den 700 RS spiegelbildlich abgegossen.

1964 verkaufte BMW beide Exemplare an den Rennwagenbauer Willi Martini aus Adenau in der Eifel. Der BMW 700 war zum Auslaufmodell geworden, denn im Werk wurde bereits eifrig die Neue Klasse produziert – der erste BMW 1500 war im August 1962 vom Band gelaufen. Es wurde jetzt endlich dem Ruf nach einem erschwinglichen Mittelklassewagen nachgekommen. Willi Martini indes entwickelte die beiden RS weiter und setzte sie zusammen mit seinen Eigenbauten auf Basis des BMW 700 – den Martini Coupés – weiterhin bei Rennen ein. Der Wagen mit der Chassisnummer 2 unterscheidet sich rein äußerlich durch die silberne Lackierung – zwischenzeitlich war er auch mal rot lackiert – und den Überrollbügel hinter den Sitzen.

RIVERA IST MIT RECHT STOLZ AUF DAS PRUNKSTÜCK SEINER SAMMLUNG UND WEISS, DASS ES SCHWIERIG IST, DEN 700 RS ZU TOPPEN, DENN DER IST IMMERHIN EINER DER SELTENSTEN BMW ÜBERHAUPT

Er ging 1973 zurück in BMW-Besitz und ziert seitdem das firmeneigene Museum in München. Das Schwesterauto mit der Nummer 1 befindet sich seit Willi Martinis Zeiten in privater Hand und das soll auch so bleiben. Rey Rivera aus Kalifornien konnte es von Vorbesitzer Elliott Butler aus Atlanta in Georgia, der es im Januar 2000 einem deutschen Liebhaber abgekauft hatte, nur unter einer Auflage erwerben: »Egal wie groß die Bemühungen und wie gut die Angebote sein mögen, du darfst es niemals an BMW zurückverkaufen – es muss im Besitz von Liebhabern bleiben.« Rivera ist mit Recht stolz auf das Prunkstück seiner Sammlung und weiß, dass es schwierig ist, den 700 RS zu toppen, denn der ist immerhin einer der seltensten BMW überhaupt.


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